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Entwurf eines Unterrichts-Gesetzes.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ꝛc.
perordnen zur Ausführung des Artikels 26 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850
mit Zustimmung beider Häuser des Landtages für den Umfang der Monarchie, mit Aus—
sichluß der Hohenzollernschen Lande, was folgt:
J. Niedere Schulen.
(Oeffentliche Volks- und Bürgerschulen.)
8. 1.
Die öffentliche Volksschule hat die Aufgabe, der Preußischen Jugend für das Leben
im Staat und in der Kirche, sowie für das Berufsleben durch Unterricht, Uebung und Er—
ziehung die Grundlagen der Bildung und sittlichen Tüchtigkeit zu gewähren.
Aufgabe der öf⸗
entlichen Volks⸗
schule.
8§. 2.
Diese Aufgabe der öffentlichen Volksschule umfaßt: Unterweisung in der Religion,
'owie Einführung in das Verständniß des kirchlichen Bekenntnisses und Lebens derjenigen
Konfession, welcher die Schule angehört; Anleitung zum richtigen mündlichen und schrift—
lichen Gebrauch der Muttersprache, und wo diese nicht die deutsche ist, zum Verständniß
und Gebrauch auch der letzteren; Unterweisung in der Geschichte, Erd- und Naturkunde,
Uebung des für das bürgerliche Leben nothwendigen elementaren Rechnens, Messens und
Zeichnens, sowie im Gesang.
Der Unterricht in der Sprache, in der Geschichte, Erd- und Naturkunde schließt sich
ain das für die Volksschule bestimmte Lesebuch an.
Außerdem sind in der Volksschule die Knaben zu geordneten Leibesübungen, und, wo
das Bedürfniß dazu vorhanden ist, die Mädchen zur Anfertigung weiblicher Handarbeiten
anzuleiten.
8. 3.
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen wird durch den Minister der Unterrichts-Ange—
legenheiten, nach Anhörung der kirchlichen Behörden in Betreff des Religionsunterrichtes,
ein Grundlehrplan für die öffentliche Volksschule mit Einer Klafsse aufgestellt. In dem—
selben können für den Religionsunterricht wöchentlich bis zu sechs Stunden angesetzt werden.
8§. 4.
Dieser Grundlehrplan ist für Volksschulen mit mehreren aufeinanderfolgenden Klassen
aach Bedürfniß angemessen zu erweitern, ohne daß neue Unterrichtsgegenstände hinzutreten.
8§. 5.
Eine mehrklassige öffentliche Volksschule hat einen Hauptlehrer zum Vorsteher.
8§. 6.
Wo ohne Beihülfe aus Staatsfonds die nach dem Ermessen der Bezirks-Regierung
erforderlichen öffentlichen Volksschulen hergestellt sind, kann für die Befriedigung weiter
gehender Bildungsbedürfnisse durch Bewilligung aus Gemeindemitteln die Einrichtung von
Bürgerschulen erfolgen.
Bürgerschulen.
8. 7.
Eine Bürgerschule hat einen Rektor zum Vorsteher. Derselbe kann, wo es die Ver—
hältnisse gestatten, mit der öffentlichen Volksschule einer Gemeinde in einen einheitlichen
Zusammenhang gebracht werden, in welchem Falle der Rektor der Vorsteher des gesammten
Schulsystems ist.