III. Höhere Schulen.
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Dem gesammten Unterrichtswesen in Preußen eine auch die höheren Schulen umfassende ge—
etzliche Grundlage zu geben, ist zuerst durch König Friedrich Wilhelm III. mittelst einer nicht publi—
zirten Allerhöchsten Ordre vom 3. November 1817 angeordnet worden, in Uebereinstimmung mit
der Instruktion für die Konsistorien vom 23. Oktober 1817 (Gesetz⸗-Sammlung Seite 241 ff.), welche
eine allgemeine Schulordnung in Aussicht stellte, aus der sodann die provinziellen Schulordnungen
ibgeleitet werden sollten. Der in Folge der erwähnten Allerhöchsten Ordre im Ministerium der Unter—
richts-Angelegenheiten ausgearbeitete Entwurf eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes kam nicht zur Aus—
ührung. Ebensowenig führten die von dem verewigten Staatsminister von Ladenberg im Jahre 1849
oeranlaßten Berathungen über ein zu erlassendes Unterrichtsgesetz zu dem beabsichtigten Zweck.
Der Grund hiervon lag hauptsächlich in der Schwierigkeit, dem historisch gewordenen und
aktisch vorhandenen Bestande des Schulwesens gegenüber, gleichmäßige, für alle Provinzen anwend—
zare Normen aufzustellen.
Als gesetzliche Vorschriften über die höheren Schulen sind daher jetzt lediglich die 88. 11u.
2. 9 bis 11 und 54 bis 66 Titel 12. Theil 2 des Allgemeinen Landrechts vorhanden, welche die
allgemeinen Grundzüge über die rechtliche Stellung derselben enthalten.
Die gedachte Schwierigkeit ist inzwischen nicht geringer geworden. Die beabsichtigte Gesetz—
zebung sieht ein Schulwesen vor sich, dessen gegenwärtige Gestalt, mit allen inneren und äußeren
Beziehungen, das Resultat einer langen und mannigfaltigen Entwickelung ist, welche durch Ver—
waltungsmaßregeln nie wesentlich gehemmt oder bestimmt, sondern vielmehr dem Zuge des geistigen
Lebens der Nation gefolgt ist und an wechselnden Zeitrichtungen Theil genommen hat, ohne jemals
dem ursprünglichen Prinzip der höhern deutschen Schulen ganz untreu zu werden.
Der durch diesen inneren Entwickelungstrieb und durch das Verhalten der Aufsichtsbehörden
zu demselben hervorgebrachte allgemeine Zustand des höheren Schulwesens in Preußen ist, für sich
detrachtet, nicht von der Art, daß durch ihn das Bedürfniß oder die Nothwendigkeit einer gesetzlichen
Regelung motivirt, und von derselben unbedingt eine glücklichere Lösung der den höheren Schulen
zestellten Aufgaben zu erwarten wäre. Aber bei der allgemeinen Entwickelung, welche dem öffentlichen
Leben durch die Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 gegeben worden, ist es nicht zufällig,
ondern berechtigt, daß durch Art. 26 derselben für das gesammte Unterrichtswesen, also auch für die
höheren Schulen, eine gesetzliche Regelung, soweit die Natur der Sache sie zuläßt, angeordnet wird.
Bei dem vorliegenden Entwurf des die höheren Schulen betreffenden Theils des Unterrichts—
gesetzes sind die Gutachten der Königlichen Provinzial-Schul-Kollegien berücksichtigt worden. Für
»as Maß und den Inhalt desselben konnten die leitenden Gesichtspunkte nur folgende sein:
Es ist alles Dasjenige aufzunehmen, was der Nation die wuͤnschenswerthe Bürgschaft für die
Befriedigung ihrer höheren Bildungsinteressen zu gewähren, die rechtliche Stellung der Staatsbehör—
den und der Kommunen zu den höheren Unterrichtsanstalten zu ordnen, jede schädliche Willkür in
der Verwaltung fern zu halten, die Lehrer gegen Druck von der einen und anderen Seite zu schützen
und überhaupt ein rechtliches Fundament zu bilden geeignet ist, auf dem das höhere Schulwesen
sich frei und kräftig entwickeln kann, und an welchen alle Betheiligten eine sichere Gewähr ihrer
herechtigten Interessen haben.
Dagegen ist alles auszuschließen, wodurch die fernere freie Entwickelung des geistigen Lebens
der Schule und die Bethätigung der individuellen Freiheit des Lehramts gehindert, die durch die
Probe langer Zeit bewährten besonderen Einrichtungen und die als wohlthätig erkannte Mannig—
altigkeit dieses Gebietes einer uniformirenden Tendenz legislatorischer Bestimmung zum Opfer
zebracht und die Befugniß der verwaltenden Behörden auf eine der Sache selbst nachtheilige Weise
eingeschränkt werden würde.
Auf Grundlage der nach diesen Gesichtspunkten festzusetzenden gesetzlichen Bestimmungen wer—
den die speziellen Ausführungsverordnungen erlassen werden, auf welche in den folgenden 88. hin—
zewiesen wird.
Zu den einzelnen 88. ist Nachstehendes zu bemerken:
Zu 8. 122. Die aͤltesten und zahlreichsten höheren Lehranstalten in Deutschland sind die
Gymmnasien; ihre Zahl beträgt in Preußen jetzt 1483.
Es kann nicht angemessen erscheinen, dem Gesetz eine Definition der verschiedenen höheren
Lehranstalten voranzustellen. Die Ziele aber, welche sie verfolgen, sind im allgemeinen zu bezeichnen,
veil hierdurch die Bürgschaft für die Befriedigung eines bestimmten Bildungsbedürfnisses und die
Richtung für alle Maßnahmen der Verwaltung gegeben wird.