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die Kuratorien das Recht, bei besonderen Veranlassungen, in corpore oder durch Kommissarien die
Klassen zu besuchen, und an den Lehrerkonferenzen Theil zu nehmen; desgleichen den Abiturienten—
Prüfungen beizuwohnen. Sofern durch die Vertretung eines beurlaubten Lehrers besondere Kosten ver—
ursacht werden, bedarf der Urlaub ihrer Zustimmung. Solche Besonderheiten bleiben den vom Minister
der Unterrichts-Angelegenheiten zu bestaͤtigenden Statuten der einzelnen Lehranstalten vorbehalten.
Ueber die Zusammensetzung und die Befugnisse der Kuratorien sprechen sich die Instruktionen
für dieselben aus. Die nicht von Staatswegen zu Mitgliedern des Kuratoriums ernannten Per—
sonen bedürfen der Bestätigung durch die Provinzial-Auffsichtsbehörde.
Es scheint unbedenklich, die faktische Verschiedenheit in Verwaltung der äußeren Angelegen⸗
heiten, sofern sie entweder vom Magistrat selbst, oder durch Kuratorien, oder durch andere Beauf—
ragte des Patronats, z. B. durch Verwaltungsräthe, oder durch besondere Prokuratoren (in der
Rheinprovinz und in Westphalen) besorgt werden, ferner bestehen zu lassen.
Zu 8. 126. Von den vorhandenen Schulen hat bei weitem die Mehrzahl einen bestimmten
sonfesfionellen Charakter, der entweder mit der Stiftung zugleich ausdrücklich durch Statuten fest—
gesetzt ist, oder, nach Beschaffenheit der Stiftung, als felbstverständlich angenommen werden muß.
Bei mehreren Realschulen ist ein konfessioneller Charakter zwar nicht bestimmt ausgesprochen,
doch kann denselben deshalb der christliche Charakter nicht abgesprochen werden, da in auen öffent—
lichen Schulen, welche nicht von Vertretern einer andern als der christlichen Religion gestiftet worden,
Erziehung und Unterricht auf christlicher Grundlage ruhen muß. Einige Realschulen find, nach der
Zusammensetzung ihrer Lehrerkollegien, als simultane Anstalten zu betrachten.
Daß durch den besonderen religiösen Charakter der öffentlichen höheren Schulen ihre allge—
neine Zugänglichkeit nicht aufgehoben wird, ist schon durch das Allg. Landrecht Thl. II Tit. 12 8.10
»estimmt, darf aber zur Beseitigung jedes Zweifels nicht mit Stillschweigen übergangen werden.
Die gemeinsamen Andachtsübungen der Schüler richten sich nach der besonderen Konfession,
welcher die Schule angehört, ohne daß die Schüler der anderen Konfession zur Theilnahme daran
genöthigt sind.
Uebrigens soll anderen Religionsgesellschaften die Möglichkeit nicht verschränkt werden, eigene
höhere Schulen zu gründen. Ob solche Anstalten als öffentliche anzuerkennen und in wie weilk die
ür die bestehenden christlichen höheren Lehranstalten geltenden Bestimmungen auf sie Anwendung
finden, muß eintretenden Falls der besonderen Erwägung des Ministers der Unterrichts-Angelegen—
heiten vorbehalten bleiben.
Zu 8. 127. Der erste Satz dieses Paragraphen enthält keine neue Bestimmung, sondern
ziebt nur das überlieferte Klassensystem an, ohne welches ein Gymnasium als ein vollständiges
aicht anerkannt werden kann. Es giebt Gymnasien, denen die unteren und eine der mittleren
Klassenstufen fehlen; dies ist bei den Alumnaten, z. B. Schulpforta, der Fall.
Bei Progymnasien und höheren Bürgerschulen ist der herkömmliche allgemeine Gebrauch des
Namens von der gesetzlichen Bedeutung desselben zu unterscheiden. Es giebt Progymnasien, die
nur von Serta bis Quarta reichen; und höhere Buͤrgerschulen werden viele Anstalten genannt, die
zurch die Aufnahme des Lateinischen, des Französischen und der Elementar-Mathemalik über den
Lehrplan der Elementarschule hinausgehen und in ihren Einrichtungen den verschiedensten Interessen
der Bevölkerung gerecht zu werden suchen.
Durch 8. 127 werden als Progymnasien und höhere Bürgerschulen nur solche Anstalten der
betreffenden Kategorien anerkannt, welche mindestens bis zur Tertia incl. entwickelt sind. An den
besonderen Berechtigungen der öffentlichen höheren Schulen können nur die Schüler der Sekunda
'olcher Anstalten Theil nehmen.
Ein wesentliches Merkmal der Realschulen zweiter Ordnung ist, daß sie das Lateinische in
ihren Lehrplan nicht aufgenommen haben, oder daß sie es, einige auch das Englische, zu den fakul—
cativen Lehrgegenständen rechnen. Ebenso ist ihnen gestattet, sich in der Mathematik und im Zeichnen
zin niedrigeres Ziel zu setzen, als den Realschulen erster Ordnung gestellt ist.. Demgemäß können
sie auch eine beschränktere Kursusdauer haben; s. 8. 135. Einige Realschulen gehoͤren zur Zeit
darum der zweiten Ordnung an, weil ihre Ausstattung im Etat, im Lokal, in den Lehrkräften und
Lehrmitteln keine genügende Gewähr darbietet, daß sie dauernd im Stande sind, den an die Real—
schulen erster Ordnung zu stellenden Anforderungen zu genügen.
Zu 88. 128 und 129. Der Gymnasial⸗Lehrplan hat seiner historischen Entwickelung gemäß
das Studium der klassischen Sprachen des Alterthums, nach ihrer formalen und materialen Seite,
zur Grundlage, woran sich später der Unterricht in der Mathematik angeschlossen hat. Das sprach—
lich-historische Studium muß daher als das eigentliche Prinzip des Gymnasiums angesehen werden.