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Für die mehr den Forderungen praktischer Berufsarten zugewendeten Realschulen sind Mathe—
matik, Naturwissenschaft und die neueren Sprachen die Hauptbestandtheile des Lehrplans. Hieran
ist demnach der specifische Unterschied beider zur Mittheilung einer höheren und allgemeinen Bil—
dung bestimmten Schulen erkennbar.
Zu dem, was hiernach einer jeden der beiden Kategorien von Schulen besonders eigen ist,
kommen in 8. 129 die gemeinsamen integrirenden Bestandtheile des Lehrplans der höheren Schulen
überhaupt, sowohl, außer den elementaren Kenntnissen und Fertigkeiten, die nothwendige Voraus—
setzung der sittlichen und nationalen Bildung, der Unterricht in der Religion und im Deutschen, so⸗
wie diejenigen Lehrobjekte, welche der vorwiegenden Richtung jeder von beiden Anstalten zur Er—
gänzung dienen. Dahin gehört bei den Gymnasien im Anschluß an die Mathematik die Naturkunde,
mit dem Zweck, sowohl den Sinn der Beobachtung zu schärfen, wie in der Methode exakter Wissen—⸗
schaft zu uͤben. Ebenso haben bei weitem die meisten Realschulen das Lateinische in ihren Lehrplan
nufgenommen, zur Ergänzung nach der anderen Seite, um dem sprachlichen Unterricht die bewährte
Grundlage der lateinischen Grammatik nicht zu entziehen und um auf diesem Wege eine Verbin—
dung mit dem Alterthum zu erhalten. — Bei den Realschulen erster Ordnung gehört das Latei⸗
nische zu den obligatorischen Unterrichtsgegenständen.
Der Unterricht im Gesang und im Zeichnen soll außer der Uebung bestimmter Organe die
Elemente ästhetischer Bildung gewähren. Zur Theilnahme an einem sakultativen Unterricht in an⸗
deren neueren Sprachen als der französischen, namentlich im Englischen, kann bei den Gymnasien
außerhalb des Lehrplans Gelegenheit gegeben werden; ebenso bei den Gymnasien und Realschulen
zur Uebung in der Stenographie. — Bei dem Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster gehört,
der Streitschen Stiftung gemäß, das Englische und Italienische in den Lehrplan der Schule.
Eine Dispensation vom Unterricht im Griechischen wird nur bei den Gymnasien derjenigen
Städte gestattet, welche neben dem Gymnasium keine Real- oder höhere Bürgerschule haben, wo
dasselbe also auch das Bedürfniß derer erfüllen muß, die sich nicht für ein wissenschaftliches Studium
oder einen Lebensberuf, welcher Gymnasialbildung erfordert, vorbereiten, sondern nur die für einen
bürgerlichen Beruf nöthige höhere allgemeine Bildung auf einer höheren Lehranstalt erwerben wollen.
Das Turnen ist integrirender Theil des Lehrplans der höheren Schulen und somit ein obliga—
torischer Unterrichtsgegenstand; s. zu 8. 133.
Zu 8. 130. Eine diesem Paragraph entsprechende gegenseitige Berücksichtigung der konfessio—
nellen Minorität in Bezug auf den Religionsunterricht findet, soweit das Bedürfniß als ein dauern—
des hat anerkannt werden müssen, mit wenigen Ausnahmen bereits statt. Die näheren Bestim—
nungen über die Modalität der Ausführung unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu
treffen, muß den zuständigen Aufsichtsbehörden überlassen bleiben.
Zu 8. 131. Sofern für die höheren Schulen auch der Provinzen Schlesien und Preußen
eine weitere Berücksichtigung der polnischen Sprache in Antrag gebracht werden sollte, muß der
Aufsichtsbehörde überlassen bleiben, hierüber, nach Prüfung der besonderen Verhältnisse, Anordnung
zu treffen. Namentlich hat sie, wenn es an den bezeichneten Schulen die Verhältnisse nöthig machen,
dafür zu sorgen, daß der Religionsunterricht den polnisch redenden Schülern der vier unteren Klassen
in ihrer Multersprache ertheilt werde. Bei den höheren Schulen zu Breslau ist das Polnische ein
fakultativer Unterrichtsgegenstand.
Andere in einzelnen Distrikten des preußischen Staats vorkommende Sprachen beim Unter—
richt der höheren Schulen zu berücksichtigen, kann nicht für angemessen erachtet werden. Es wird
genügen, denjenigen Schülern, welche der Verkehrsverhältnisse wegen darin unterrichtet zu werden
vünschen, außerhalb des Lehrplans dazu Gelegenheit zu geben, wie es z. B. beim Gymnasium zu
Leobschütz mit der mährischen, bei dem zu Cottbus mit der wendischen Sprache geschieht.
Zu 8. 132. Ueber Vertheilung und Begrenzung der Unterrichtsgegenstände der höheren Schu—
ien, sowie über die Lehrmittel und das methodische Verfahren beim Unterricht können legislatorische
Festsetzungen nicht getroffen werden. Der Fortschritt und die Entwickelung der Wissenschaften übt
fortwährend auf die höheren Schulen eine unmittelbare Einwirkung, welcher im Interesse ihrer di—
daktischen und pädagogischen Zwecke Raum gelassen werden muß, damit sich insbesondere die Kraft
der individuellen Persoͤnlichkeit des Lehrers, als das Wirksamste beim Unterricht und der Erziehung
ungehindert bethätigen könne.
Auch die Centralverwaltung, welcher hiernach die in diesen Beziehungen nöthigen Anordnun—
gen zu überlassen sind, läßt darin, so weit es irgend die für die Schulen derselben Kategorie im
wesentlichen nothwendige Uebereinstimmung gestattet, den Provinzialbehörden und diese lassen den
einzelnen Direktoren und Lehrerkollegien freie Hand. Namentlich enthalten sich die Behörden, über
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