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die Lehrmethode bestimmte Vorschriften zu erlassen und beschränken sich darauf, in außerordentlichen
Fällen die Anwendung eines neuen Verfahrens zu empfehlen, um seine etwanigen Vorzüge durch
Erfahrung kennen zu lernen. — Eben so wenig werden von Seiten der Centralbehörde bestimmte
dehrbücher vorgeschrieben: sie sucht nur den Gebrauch ungeeigneter und allzu verschiedenartiger
Lehrmittel zu verhindern und nimmt auch in dieser Beziehung Gelegenheit, auf Neues aufmerksam
zu machen und die Anwendung zu empfehlen.
Zu 8. 133. Der 8. 133 giebt das Maximum der obligatorischen wöchentlichen Unterrichts⸗
stunden an, insbesondere um eine schädliche Anstrengung der Schuljugend und die mit einer größeren
Zahl von Lehrstunden gewöhnlich verbundene Ueberbürdung mit häuslichen Schularbeiten zu verhüten.
Die Dispensation von Unterrichtsgegenständen, wie Singen, Zeichnen, Turnen, muß dem
Ermessen der Direktoren, auf die durch Gesundheitsrücksichten oder sonstige individuelle Ursachen
motivirten Anträge der betreffenden Eltern, vorbehalten bleiben.
Ein Zurückbleiben hinter der angegebenen Zahl wöchentlicher Lehrstunden ist nicht ausgeschlossen,
namentlich auch in den obersten Klassen nicht, wenn es den Lehrern gelingt, wie es für diese Stu—
fen wünschenswerth ist, die Selbstthätigkeit der Schüler in fruchtbarer Weise anzuregen. In Schul—⸗
pforta z. B. werden an einem Tage jeder Woche die Lehrstunden ausgesetzt, um das Selbststudium
der Alumnen zu fördern.
Die neuesten reglementarischen Festsetzungen des Lehrplans der Gymnasien vom 7. Januar
1856, und der Realschulen vom 6. Oktober 1869, sind den Bestimmungen des 8. 133. im wesent—
ichen entsprechend. — Ueberschreitungen der angegebenen Zahlen sollen in der Regel nicht zugelassen
verden. Wenn aber z. B. für das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin durch Aueerhöchste
Ordre vom 18. November 1840 genehmigt worden ist, die Forderungen der Streitschen Stiftung
oweit zu ermäßigen, daß in den unteren Klassen wöchentlich 32, in den oberen bis inecl. Unter,
Tertia wöchentlich 86 Lehrstunden gegeben werden, Gesang ꝛc. eingerechnet, so konnte es nicht die
Absicht sein, dergleichen stiftungsmähßige Bestimmungen durch das Gesetz aufzuheben.
Daß die obligatorischen häuslichen Schulaufgaben sich nach Umfang und Beschaffenheit in
dem Maß halten, welches auch dem mittelmäßigen Talent ihre Bearbeitung möglich macht, und den
begabteren Schülern freie Zeit zu selbstgewählter Beschäftigung läßt, darauf wird die Aufmerksamkeit
der Schulaufsichtsbehörden stets in besonderem Grade gerichtet sein müssen.
Zu 8. 134. Durch Festsetzung eines bestimmten für den Eintritt in die höheren Lehranstalten
erforderlichen Alters soll ebensowohl eine zu große BVerschiedenartigkeit der Schüler der unteren
Klassen, wie ein zu frühzeitiger Besuch höherer Schulen verhindert werden.
Um die gesetzliche Feststellung nicht von vornherein illusorisch zu machen, ist bei diesen und
anderen 88. der Ausdruck, in der Regel“ vermieden worden, ohne daß eine Abweichung von der—
selben unbedingt hat ausgeschlossen werden sollen. Denn in Rücksicht auf besondere Talente und auf
ungewöhnliche Erfolge der Privatvorbereitung müssen Ausnahmen für zulässig gelten.
Was von elementaren Vorkenntnissen bei der Aufnahme zu fordern ist, bleibt der reglemen—
tarischen Bestimmung überlassen.
Zu 8. 135. Der Umfang des Unterrichtsstoffs und die Aufgabe der Einübung machen es
nach den Ergebnissen längerer Erfahrung nothwendig, die Gesammidauer des Kursus vollständiger
Gymnasien und Realschulen auf 9 Jahre festzusetzen, so daß die mit ihrem 9. Lebensjahr aufgenom—
menen Schüler die Anstalt mit dem 18. absolviren können. Die für die beiden obersten Klassen
rforderliche Kursusdauer von je 2 Jahren auch für die Tertia als Regel festzusetzen, erfordert die
Wichtigkeit dieser Klasse sowohl für diejenigen, welche in die höheren Klassen übergehen wollen, als
auch für diejenigen, welche, wie es häufig geschieht, aus der Tertia abgehen und dort ihre Schul—
»ildung beschließen. In dem einen wie in dem anderen Falle muß es der Schule daran liegen,
einen möglichst sicheren Grund der elementaren Vorkenntnisse zu legen, die in dieser Klasse ihren
Abschluß erhalten.
Eine Uebereinstimmung in der durchschnittlichen Kursusdauer wird auch durch die den höheren
Schulen verliehenen gleichen Berechtigungen nothwendig.
In der Tertia können statt zwei aufsteigender auch zwei koordinirte Abtheilungen eingerichtet werden.
Die Zulässigkeit von Ausnahmen fur die Versetzung einzelner Schüler unterliegt der pädago—
gischen Beurtheilung der Lehrerkollegien.
Der Jahreskursus jeder Klasse hat ein bestimmtes Lehrziel, welchem das der vorangehenden
Klasse zur Voraussetzung dient. Mit Genehmigung der Provinzial-Aufsichtsbehörde wird es nach wie
vor einzelnen Anstalten zu gestatten sein, die Jahreskurse zu theilen und ausnahmsweise statt der jäh—
rigen halbjährige Unterrichtspensa und damit zwei Verfetzungstermine in jedem Jahr beizubehalten.