Full text: Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preußen

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Die den Realschulen 2. Ordnung gestattete Ausnahme erklärt sich durch das zu 8. 127 über 
diese Kategorie von Schulen Bemerkte. 
Zu 8. 136. Die Verbindung von nebengeordneten Real- oder höheren Bürgerschulen mit 
Gymnasien kann unbedenklich da gestattet werden, wo die Herstellung einer selbständigen Real- oder 
zöheren Bürgerschule nicht oder noch nicht ausführbar ist. Die Uebelstände, welche eine derartige 
Verbindung mit sich führt, werden durch die Vortheile aufgewogen, welche in der für beide Rich— 
tungen gemeinsamen Schulleitung, in der in den mittleren und oberen Klassen fortdauernden Ver— 
zinigung aller Schüler bei den Andachtsübungen, beim Singen, Turnen u. s. w. liegt. Der gymna— 
siale Elementarunterricht in Sexta und Quinta kann auch für die künftigen Realschüler als Vor— 
hereitung dienen. In Quarta, wo auf dem GEymnasium der griechische Unterricht beginnt, ist es 
zweckmäßig, eine Sonderung der Schüler eintreten und die unterscheidende Eigenthümüchkeit beider 
Bildungswege zu ihrem Recht kommen zu lassen. Eine Theilung der Quarta wird ohnehin bei den 
meisten Gymnasien schon durch die Schülerfrequenz nöthig gemacht. — Kombinirte Anstalten der 
bezeichneten Art sind schon jetzt in den meisten Provinzen vorhanden. 
Zu 8. 137. Die Errichtung vorbereitender Elementarklassen ist bei Gymnasien und Real— 
schulen zu begünstigen und hat bereits in allen Provinzen eine Bewährung längerer Zeit für sich. 
Das Bedürfniß individueller Behandlung gerade des ersten Kindesalters kann in ihnen mehr Be— 
achtung finden als in den häufig überfüllten Volksschulen, und vermöge der organischen Verbindung 
der Vorschule mit dem Gymnasium oder der Realschule kann der Geist dieser Anstalten und ihre 
Disziplin sofort beim ersten Unterricht auf die Schüler einwirken. Ebenso haben dergleichen Ele— 
mentarklassen vor dem oft ungenügenden ersten Privatunterricht den Vortheil einer zweckmäßigeren 
Vorbereitung für die höhere Anstalt und verhindern eine künstliche Frühreife. 
Zu 8. 138. Die an vielen Orten eingetretene Ueberfüllung einzelner Klassen und der ganzen 
Anstalt, wobei der Zweck der Schule nur unvollkommen erfüllt und ihre organische Einheit nicht 
gewahrt werden kann, macht die Bestimmung einer Grenze für die Klassenfrequenz und die Anzahl 
der Klassen nothwendig. Die Befugniß, unter Berücksichtigung der obwaltenden äußeren und inneren 
Verhältnisse einer Schule, Ausnahmen zu gestatten, muß der Verwaltungsbehörde vorbehalten blei— 
hen; ebenso die Beurtheilung, nach welcher Durchschnittsberechnung die zu große Frequenz einzelner 
Klassen als dauernd anzusehen ist. 
Zu 8. 139. Von der Aufgabe der Schule als Erziehungsanstalt ist ein die elterliche Gewalt 
mehr oder weniger beschränkendes Disziplinarrecht unzertrennlich. Die Mittel zur Erfüllung ihrer 
pädagogischen Aufgabe können ihr nicht vorenthalten werden. Die Schule wird aber den Zweck 
hrer Disziplinargewalt nur dann zu erreichen hoffen können, wenn sie dieselbe soviel wie möglich 
im Einverständniß mit den Eltern übt. Die zu erlassenden Disziplinarordnungen werden dieses 
Erforderniß einer Verständigung der Schule und der Eltern über das disziplinarische Verfahren 
desonders zu berücksichtigen haben, was unter anderem durch Anordnungen geschehen kann, welche 
auch den Eltern der Schüler eine Vertretung in den Kuratorien sichern. 
Ueber Schüler, welche nicht bei ihren Eltern oder Angehörigen wohnen, Aufsicht zu üben, hat 
die Schule selbstverständlich in ausgedehnterem Maße Recht und Pflicht, als über die einheimischen 
Schüler. 
Zu 8. 140. Es erscheint zweckmäßig, für die Ferien das zulässige höchste Maß zu bestimmen, 
welches nicht überschritten werden darf, und im Uebrigen den Provinzial-Aufsichtsbehörden zu über— 
lassen, bei Vertheilung der Ferien das Herkommen und die lokalen Verhältnisse zu berücksichtigen, 
sowie darüber zu befinden, ob auch in den unteren und den Elementarklassen das höchste Maß ein— 
zehalten werden soll. 
Ebenso ist es Gegenstand der Anordnung für die Provinzial-Aufsichtsbehörden, ob bei ein— 
zelnen höheren Schulen die besonderen Feiertage der konfessionellen (katholischen oder evangelischen) 
Minorität hinreichende Veranlassung geben, den ganzen Schulunterricht ausfallen zu lassen. 
Zu 8. 141. Mit denjenigen Schülern, welche den Kurfus der Anstalt absolvirt haben, halten 
die Gymnasien eine Abiturientenprüfung ab. Solche Jünglinge, welche sich anderweitig vorbereitet 
haben und ein Zeugniß der Reife für die Universität zu erwerben wünschen, haben sich auch nach 
den schon jetzt bestehenden Vorschriften bei der Prüfungskommission eines Gymnasiums der Matu— 
ritätsprüfung zu unterwerfen. Die Einrichtung, daß diese Prüfungen nicht mehr bei den Universi— 
täten, sondern ausschließlich bei den Gymnasien abgehalten werden, besteht seit dem letzten Abiturienten— 
Prüfungsreglement vom 4. Juni 1834 und hat sich bewährt. Den Vorsitz bei den Abiturienten- und 
Maturitätsprüfungen führt der Departementsrath der Provinzial-Aufsichtsbehörde und in Fällen 
seiner Verhinderung ein vom Minister für die betreffende Anstalt ernannter Kommissarius.
	        
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