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Das Recht des Staats, der Patronatsbehörde von Anstalten, welche einen Bedürfnißzuschuß
empfangen, einen Kommissarius mit vollem Stimmrecht beizuordnen, besteht schon jetzt auf Grund
der Allerhöchsten Ordre vom 10. Januar 1817, und ist in der Natur des Verhältnisfes begründet.
Zu 8S. 152. Die Normal-Etats haben den Zweck, eine feste Grenze zu bestimmen, innerhalb
deren sich die Lehrerbesoldungen bei den höheren Unterrichtsanstalten zu bewegen haben. Ihre Ein—
führung auch für diese Kategorie von Beamten empfiehlt sich im Interesse des Lehrerstandes, weil
damit ein festes Maß für die Anforderungen gewonnen wird, welche an die zur Unterhaltung der
Schulen Verpflichteten zu stellen sind.
Zu 8. 153. So wenig wie bei den übrigen Staatsbeamten der Normal-Etat dem einzelnen
Beamten Anspruch auf ein bestimmtes Einkommen gewährt, eben so wenig ist dies für die Lehrer
der höheren Unterrichts-Anstalten zulässig. Es versteht sich von felbst, daß für den einzelnen in
Beziehung nur die Anstellungs-Urkunde, resp. die etwa später ertheilte spezielle Zusicherung,
entscheidet.
Es ist nur noch bei wenigen höheren Schulen der Fall, daß die Lehrer am Schulgelde par—
tizipiren und entweder dadurch, oder durch Antheil an einem wechfelnden Ertrage anderer Art, eine
nicht bestimmt bemessene Einnahme haben. Die Fixirung der Besoldungen liegt überall im Interesse
der Anstalten und der Lehrer. — Eine vierteljährliche Vorauszahlung des Gehalts erscheint sowohl
ür die Verhältnisse der Lehrer an höheren Schulen angemessen, als sie auch in der kollegialischen
Zusammensetzung des Lehrerverbandes begründet ist. —
Zu 8. 154. Die in Bezug auf den Betrag des Schulgeldes und der sonstigen Erhebungen
herkömmlichen und in Folge lokaler Verhältnisse bestehenden großen Verschiedenheiten durch gesetzliche
Bestimmungen auszugleichen, kann als heilsam und nothwendig nicht angesehen werden.
Zu 8. 155. Es ist ein an den allermeisten Schulen bestehendes und der Billigkeit entsprechen—
des Herkommen, daß die Söhne der an der Anstalt unterrichtenden Lehrer und der Schulbeamten
Rendant, Schuldiener ꝛc.) kein Schulgeld bezahlen.
Den Geistlichen und den übrigen Lehrern des Orts kann derselbe Anspruch nicht zugestanden
werden. — Daß diese Befreiung nicht auf andere, in einem unbesoldeten amtlichen Verhältniß zur
Schule stehenden Personen, z. B. nicht auf die Mitglieder der Kuratorien, ausgedehnt werden kann,
oersteht sich von selbst, da sie nicht unter die in dem 8. bezeichnete Kategorie fallen.
Der Fürsorge dafür, daß auch dem unbemittelten Talent Gelegenheit zu wissenschaftlicher Aus—
bildung gegeben werde, kann der Staat sich nicht wohl entschlagen (Allgemeines Landrecht Thl. II
Tit. 12 8. 63). Die speziellen Modalitäten der Gewährung des freien Unterrichts sind von den
Vermögensverhältnissen der Schulen, der Bedürftigkeit und Würdigkeit der Schüler und von anderen
Umständen abhängig und bleiben dem Ermessen der Patronatsbehörden resp. der Kuratorien über—
assen. Für den Fall der Weigerung eines Patrons, einer angemessenen Zahl von armen Schülern
reien Unterricht zu gewähren, muß der Aufsichtsbehörde die Befugniß zustehen, ihn dazu anzuhalten.
Zu 8. 156. Der Schluß des 8. hat die Absicht, einen Schutz gegen den Mißbrauch der
Schullokalitäten, unter denen nicht nur die Klassenzimmer und Schulsäle, sondern auch die Turn—
jallen, Turnplätze ꝛc. zu verstehen sind, zu gewähren. Nachdem das Patronat sie unter Zustimmnung
der Aufsichtsbehörde für Schulzwecke einmal bestimmt hat, steht ihm auch nicht mehr das Recht zu,
sie anderweitig zu verwenden.
Zu 8. 157. Die Gründung einer neuen öffentlichen höheren Schule muß von dem Nachweis
der zu ihrer Erhaltung nöthigen Mittel abhängig gemacht werden; dieselben kommen auch bei der
Imgestaltung einer höheren Schule, z. B. einer Realschule in ein Gymnasium, oder umgekehrt,
benso wie die Beschaffenheit der vorhandenen Lehrkräfte, in Betracht.
Es ist Pflicht der Unterrichtsverwaltung, dafür zu sorgen, daß die Errichtung neuer städtischer
sjöherer Schulen nicht mit Hintansetzung und auf Kosten der allgemeinen Bildungsbedürfnisse erfolge,
welche das niedere Schulwesen zu befriedigen hat.
Zu 8. 158. Für den höheren Unterricht der weiblichen Jugend sind allgemeine Normen bis—
her nicht aufgestellt worden. Mehr als die Hälfte aller dafür bestehenden Anstalten sind Privat—
unternehmungen. Bei der großen Wichtigkeit, welche eine zweckmäßig geleitete Erziehung des weib—
lichen Geschlechts für das Wohl der Familie und dadurch für das des Staats hat, ist es wünschens—
werth, daß die öffentliche Unterrichtsverwaltung auf die betreffenden Anstalten eine bestimmende
Einwirkung erhalte, welche unabhängig von den Motiven einer pädagogischen Industrie und von
einer unzuträglichen Willfährigkeit gegen vorübergehend herrschende Zeitrichtungen, in ihnen die
Grundsätze einer einfachen und gesunden Pädagogik zur Ausführung bringt.
Die zu erlassende Schulordnung kann nur die allgemeinen Umrisse von Bestimmungen ent⸗