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Plenarverhandlungen
wenden, welche auf dem Polytechnikum verwerthet werden
können. Mithin kann sie darin sehr viel mehr leisten als das
SGymnasium und erheblich mehr als die Realschule. Dies,
neine Herren, ist so einleuchtend, daß Niemand dagegen etwas
sagen kann. Man sagt aber nun, die Masse als Wissen—
schaft ist werthlos, ist schädlich; aufs Wissen kommt's nicht
an, auf's Können kommt's an. — Meine Herren, das ist eine
gefährliche Phrase. Sie wird auch den Lehrern auf den
Gymnasien oft vorgehalten, und wenn dann der Koͤnigliche
Kommifsarius zum Abiturienteneramen kommt, so bildet er
sich sein Urtheil nach dem exakten Wissen, und selbst die Auf⸗
Jaben, aus welchen er das Können erkennen will, lateinische
und griechische Scripta und mathematische Aufgaben, lassen
ich nicht ordentlich anfertigen, wenn man nicht eine Menge
Regeln, Vokabeln und mathematische Formeln im Kopf
hat. Und wie es hier ist, ist es auch, mit dem Staats—
xamen, und wenn man im späteren Berufsleben Bücher nach—
schlagen und sich bei Sachverständigen informiren kann, so
ann man sich doch nur informiren, wenn man richtige Fragen
stellt, und richtige Fragen kann man nicht stellen ohne Sach—
eenntniß. Also, meine Herren, mit der Werthlosigkeit des
exakten Wissens ist es nichts; es ist recht wohl möglich, daß
einer recht viel weiß und unichts kann, es ist aber ganz gewiß,
daß der nichts kann, der nichts weiß.
Sehr richtigh)
Und dann, meine Herren, können wir unsere Geisteskräfte
auch nur üben, indem wir Kenntnisse sammeln, und wir
können die Geistesübung nur steigern, indem wir mit einer
größeren Summe von Kenntnissen operiren. Also ist mit einer
zrößeren Summe von Kenntnissen, sofern der Unterricht gut
war, immer eine größere Uebung im Denken verbunden, und
das ist in diesem Falle grade die Form des Denkens, die auf
dem Polytechnikum angewendet wird. Sie sehen also, daß
n einem außerordentlich wichtigen Punkt die höhere Gewerbe—
schule als Vorbereitungsanstalt für das Polytechnikum dem
Gymnasium und der Realschule weit überlegen ist.
(Sehr richtig!)
Was nun die erste Forderung, die allgemeine Bildung
betrifft, so kenne ich, meine Herren, keine Geisteskraft, die
ohne den Unterricht in den alten Sprachen nicht vollkommen
zuͤt gepflegt werden könnte, und ich bin auch der Meinung,
daß Niemand die Kenntniß der alten Sprachen eine Haupt—
richtung des Wissens nennen kann, seitdem die Werke der alten
Literatür für viele der wichtigsten Wissenschaften nicht mehr
Fundgruben des Wissens sind, und die lateinische Sprache