224
Achtzehntes Kapitel.
mit einer solchen Gründung vor die Öffentlichkeit zu treten, da in
jener Zeit die Erfindung des lenkbaren Ballons noch der Erfindung
des Perpetuum mobile gleichgestellt wurde. Weitblickende Leute,
wie Moltke, beglückwünschten den Gründer zu seiner Idee und prophe-
zeiten der Luftschiffahrt eine große Zukunft, während anderseits,
z. B. in einem wissenschaftlichen Verein, ein bedeutender Gelehrter
den Gedanken der lenkbaren Luftschiffahrt »als eine unglückliche
Verirrung« bezeichnete und eine größere Zeitung das Erscheinen
der Zeitschrift für Luftschiffahrt ein »Kuriosum der periodischen
Presse« nannte.
Ohne sich hierdurch beirren zu lassen, haben aber die führenden
Mitglieder des Vereins in uneigennützigster Weise an der Weiter-
entwicklung der Luftschiffahrt gearbeitet und dabei in erster Linie
wissenschaftliche Interessen verfolgt.
Weitere Kreise interessiert sicher die Tatsache, daß auch der
berühmte Maler Arnold Böcklin sich lebhaft an den praktischen
Arbeiten des Vereins beteiligt hat. Er konstruierte eine Flug-
maschine!) in Form der Hargraveschen Kastendrachen. Durch Um-
stellen der Drachenflächen wollte er auf und ab steigen; die Fort-
bewegung sollte die gerade herrschende Luftströmung veranlassen.
Er vergaß ganz, daß ein Drachen eben nur am Fesselkabel steigen
kann, und machte tatsächlich vor dem Oberstleutnant Buchholtz —
ersten Kommandeur der Luftschiffertruppe — auf dem Tempelhofer
Felde einen Versuch, bei dem sein Apparat sich nur einen Fuß vom
Erdboden erhob, dann aber zertrümmert wurde. Böcklin hat seine
Ideen noch mehrfach in Vorträgen verteidigt, ist aber nicht mehr
dazu gekommen, praktische Versuche anzustellen, welche ihn schließ-
lich doch von der Unhaltbarkeit seiner Theorien hätten überzeugen
müssen.
Einen großen Aufschwung nahm der Verein, als der Meteorologe
Professor Aßmanrn im Jahre 1890 an seine Spitze trat und bald
Se. Majestät den Deutschen Kaiser für die Bestrebungen desselben
zu interessieren vermochte. Eine große Spende des Kaisers setzte
den Verein in die Lage, nach den Plänen Aßmanns eine Reihe
von Ballonfahrten auszuführen, deren hervorragende Resultate eine
neue Ära der wissenschaftlichen Luftschiffahrt in der ganzen Welt
eröffneten. Eingehend haben wir uns in einem anderen Kapitel
mit den Ergebnissen derselben zu beschäftigen.
Y 25 Jahre Geschichte des Berliner Vereins für Luftschiffahrt von H. W. L.
WMoedebeck. Straßburg i. E. Verlag von K. J. Trübner. 1906.