Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

Die Luftschiffahrt während des Krieges 1870/71. 97 
war es Oberleutnant Josten gelungen, 75 Weinfässer der verschieden- 
sten Größen zu bekommen, von denen 60 zur Gaserzeugung aus 
Schwefelsäure und Zink, 12 für den Wasch- und 3 für den Trocken- 
prozeß benutzt wurden. 
Am 24. September wurde innerhalb fünf Stunden der Ballon 
gefüllt und am Nachmittag mit den beiden Offizieren und später 
mit dem ihnen schon in Köln beigegebenen Amateurluftschiffer 
Dr. Mehler bei sehr windigem Wetter aufgelassen. Infolge der 
heftigen Bewegungen des Luftschiffes war eine genauere Erkundung 
nicht möglich; das Fahrzeug mußte deshalb verankert werden. Ob- 
zleich man die fast auf die Erde gedrückte, sorgfältig mit Leinen 
und Pfählen am Boden befestigte Hülle durch Segeltücher vor dem 
Winde zu schützen suchte, erhielt sie doch einen großen Riß und 
das Gas entwich. Noch ehe die Neufüllung gelungen war, kapitu- 
lierte Straßburg und das Detachement erhielt den Befehl, nach 
Paris abzurücken. 
Der Marsch vollzog sich unter den schwierigsten Verhältnissen, 
weil alle Wagen durch die Proviantkolonnen requiriert waren und 
niemand die Luftschiffer unterstützen wollte. Nach der Ankunft 
beim Belagerungsheere stellte es sich heraus, daß eine Füllung des 
Ballons wegen Gasmangels nicht möglich war, und das Haupt- 
quartier entschloß sich deshalb am 10. Oktober 1870, die neue 
Truppe wieder aufzulösen. Das Material wurde nach Deutschland 
zurücktransportiert. 
Die Beobachtungsballons haben auch bei den Franzosen wenig 
Erfolge aufzuweisen gehabt. Bei Beginn des Krieges hatte zunächst 
der Kriegsminister Leboeuf alle Vorschläge zur Verwendung der 
Aerostaten, welche ihm unter anderm auch von dem noch heute 
lebenden berühmten, wissenschaftlichen Luftschiffer Wilfrid de 
Fonvielle gemacht wurden, ungläubig zurückgewiesen, und erst 
aach dem Sturze des Kaiserreichs kamen die in der ersten Re- 
publik gemachten Erfahrungen wieder zur Geltung. Am 17. Sep- 
tember 1870 stiegen während des Gefechts von Valenton vier 
Aerostaten gleichzeitig auf, über deren Tätigkeit nichts Näheres 
bekannt geworden ist. In Paris wurden alsbald mehrere Fessel- 
ballonstationen errichtet, die im allgemeinen aber des im Winter 
herrschenden nebeligen Wetters halber nicht viel zu leisten ver- 
mochten. 
Nur einmal gelang es, auf Grund der Ballonmeldung Befesti- 
yungsarbeiten der Deutschen an dem Orte Pierrefitte zu vereiteln. 
Hildebrandt, Die Luftschiffahrt. 2. Aufl.
	        
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