Die Luftschiffahrt während des Krieges 1870/71. 101
Am 15. Dezember landete »La Ville de Paris« bei Wetzlar
in Nassau und am 20, Dezember bei Rothenburg in Bayern
»Le General Chanzy«. Die Reste dieses letzten Ballons sind
noch in München im Armeemuseum zu sehen. Dem deutschen
Oberkommando war begreiflicherweise dieser nicht zu hindernde
Verkehr sehr unangenehm, und die Kanonenfabrik Krupp wurde
beauftragt, ein besonderes Geschütz zu konstruieren, das für die
Beschießung der Ballons eine große Elevation in einer eigenartigen
Lafette zuließ. Erfolge sind mit dieser Kanone, die noch heute
im Berliner Zeughaus zu sehen ist, nicht erzielt. Durch die große
Aufmerksamkeit der Vorposten und die häufige Beschießung wurden
aber die Franzosen gezwungen, von Mitte November ab ihre Aero-
staten bei Nacht abfahren zu lassen.
Der deutschen Artillerie war die Größe der Luftschiffe — 16m —
bekannt geworden, und sie vermochte darnach die Entfernung der-
selben annähernd zu schätzen.
Zum Verständnis dieser Tatsache wollen wir hier näher darauf
eingehen, in welcher Weise heutzutage die Beschießung von Ballons
erfolgt.
Die Schwierigkeit der Beschießung eines Fesselballons ist nicht
groß, sie liegt in der Feststellung der Entfernung und in der Be-
urteilung der Sprengpunktslage der Geschosse.
Die Entfernung zu bestimmen ist nur dann möglich, wenn man
die Maße des Ballons genau kennt und ihn durch ein Fadenfernrohr
anvisieren kann, wobei die Art der Stellung eines länglichen Luft-
schiffes zu berücksichtigen ist.
Der französische Kugelballon ist 540 cbm groß, entsprechend
einem Durchmesser von etwas über 10 m. Mit dem Fadenfernrohr
wird seine scheinbare Größe in Sechzehntel gemessen, und mit
Hilfe einer Tabelle, welche sich infolge ihrer Gesetzmäßigkeit leicht
dem Gedächtnisse einprägt, vermag man die Entfernung genau zu
bestimmen.
Es entspricht nämlich:
4,6 auf 3000 m 3,3 m
4000 » . 4,4 >»
5000» . . . 5,5»
5000» 2. 6,6 »
9000 » 9,9 »
usf. Würde also der. französische Ballon nur !6 groß erscheinen,
a0 stände er in 9000 m Entfernung.