Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

Die Organisation der Militär-Luftschiffahrt von 1871 ab in Rußland. 129 
Auch Rußland kaufte seinen gesamten Park an Luftschiffergerät, 
einschließlich der Gaserzeuger, von französischen Ballonfabrikanten, 
von denen nacheinander fast alle berücksichtigt wurden: Brisson, 
Yon, Godard und Lachambre. 
Bemerkenswert ist es, daß die Russen 1886 die Firma Yon 
mit dem Bau eines lenkbaren Ballons beauftragten, den aber die 
nach Frankreich entsandte Kommission nicht abnahm, weil die Probe- 
fahrt kein brauchbares Resultat ergeben hatte. Auch mit einer 
3100 cbm großen, von Godard erbauten Montgolfiere wurden in 
Brüssel Versuche angestellt, die ebenfalls nicht zufriedenstellend 
ausfielen. Ganz besonders eingehende Übungen wurden in Rußland 
von 1894 ab von der Luftschifferabteilung in Verbindung mit der 
Marine angestellt. Die Veranlassung hierzu gab der mißglückte 
Versuch, das im Finnischen Meerbusen gesunkene Kriegsschiff 
»Russalka« zu ermitteln. 
Die Organisation der Truppe wurde von 1890 ab allmählich, 
aber konsequent durchgeführt. In Wolkowo Polje bei Peters- 
burg befindet sich ein nach französischem Muster eingerichteter 
Luftschifferlehrpark, bei dem das gesamte Personal für Armee und 
Marine ausgebildet und das Material, soweit es nicht vom Ausland 
kommt, in umfangreichen Werkstätten hergestellt wird. Aus dem 
Stamme dieser Anstalt — 1 Oberst, 6 Offiziere, 88 Mann — wurden 
sowohl die Formationen der Feldluftschifferabteilungen für Manöver 
und Übungen jedesmal nach Bedarf vorübergehend zusammen- 
gestellt, als auch die Luftschifferdetachements für die verschiedenen 
Festungen mit Offizieren versorgt, 
Der Wagenpark einer russischen Feldabteilung war bis zu Aus- 
bruch des letzten Krieges ein äußerst schwerfälliger, weil man sich 
aus unbekannten Gründen nicht zur Einführung der Stahlzylinder 
nach englischem Muster entschließen konnte. 
Bei den Manövern 1893 rückte die Truppe mit nicht weniger 
als 150 Fahrzeugen aus, die den Vormarsch der übrigen Truppen 
ganz erheblich belästigten. 
Der General Dragomirow, der selbst Erkundungen aus dem 
Ballon vornahm, fällte deshalb ein höchst absprechendes Urteil über 
die Tätigkeit der Luftschiffer. 
Erst der Beginn des Krieges mit Japan hat die Umgestaltung 
des Materials zur Folge gehabt; man ging von dem Kugelballon ab 
and bestellte in Deutschland eine große Zahl Drachenballons für 
die neu aufzustellenden Feldformationen. Auch die Gaserzeugung 
Hildebrandt, Die Luftschiffahrt. 2. Aufl. ©
	        
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