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Neunzehntes Kapitel.
Berson und Elias konstatierten ferner bei ihrer Ostafrika-Expe-
dition, daß am Äquator — über dem Viktoria Nyanza — erst
in 18 km Höhe die allgemeine Temperaturumkehr beginnt, eine
Feststellung, die auch bei der Drachenstation zu Simla in Indien
gemacht worden ist. Es sei erwähnt, daß die Erstgenannten am
Äquator die niedrigste bisher überhaupt im Luftmeere gemessene
Temperatur angetroffen haben: — 84° C in 19500 m Höhe.
Hiermit sind wir auf eine andere Erscheinung gekommen, die
das wertvollste Resultat der aerologischen Forschungen der letzten
Jahre darstellt: die eben erwähnte allgemeine Temperaturumkehr in
großen Höhen: die sogenannte »hohe Inversion«.
Nach dem Gesetze der mechanischen Wärmetheorie müßte mit
der Höhe ständig eine Temperaturabnahme erfolgen — »adiabatisch«
am je 1°C für je 100 m. Tatsächlich ist diese Abnahme auch bis
in die Höhen von etwa 10000 m festgestellt worden. Darüber hinaus
— bei den verschiedenen Wetterlagen und in den verschiedenen
Breitengraden entweder in größerer oder geringerer Höhe — wurde
aber zunächst eine Schicht gleicher Temperatur — Iso-
ihermie — und dann Wärmezunahme — Inversion — ge-
lunden.,
Dieses von Teisserenc de Bort und Aßmann gleichzeitig ent-
deckte Phänomen ist aller Wahrscheinlichkeit nach über alle Länder
und Meere der Erde ausgebreitet. Teisserence de Bort und Hilde-
orandsson haben die Inversion über Kiruna in Lappland ermittelt,
Aßmann und Hergesell über Deutschland, Berson und Elias, wie
erwähnt, über dem Äquator, Hergesell in den arktischen Regionen.
Der Letztgenannte hatte 1906 bei Tromsö einen Registrierballon
aufgelassen, der erst im Juli 1909 von einem Lappen auf einem
Gletscher aufgefunden worden ist. Die tadellos erhaltene Registrie-
rung, die bis 16 km Höhe führt, erwies das Vorhandensein der
hohen Inversion.,
Auch die in Sibirien mehrfach von russischer Seite erfolgten
Registrierballonaufstiege. haben gleichfalls das Phänomen festgestellt.
Das Vorhandensein der »hohen Inversion« wurde noch vor
kurzem besonders in England angezweifelt; aber sie ist als Tatsache
erwiesen. Vielfach hat sich auch die Theorie mit ihr befaßt. Zu
nennen sind in neuester Zeit besonders die Engländer Gold und
Humphreys, die auf theoretischem Wege eine obere Grenze der
vertikalen Temperaturabnahme aus der von der Erdoberfläche bzw.
den ihr aufliegenden Luftschichten ausgehenden Strahlung, welche