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Neunzehntes Kapitel.
yeschwindigkeit zeigte auch bei den schwersten Stürmen nicht über
20 m/sek. In dem Gebiet, in welchem Wegener arbeitete, gehört
die 200 m Stufe noch völlig dem Südost, die 500 m Stufe vor-
wiegend schon dem westlichen Winde an, nur zweimal wurde hier
Südwind gefunden. Bei 1000 m zog die Luft in allen Fällen aus
Nordwesten. Demnach haben wir also in Nordostgrönland vor-
herrschend Westwinde.
Um die Kenntnis des gesamten Luftaustausches in den Polar-
zonen zu fördern, begaben sich A. de Quervain, Zürich, und A. Stol-
berg, Straßburg i. E. Anfang 1909 nach Westgrönland. Es handelte
sich bei dem aerologischen "Teil ihrer Forschungen namentlich um
die Frage, ob Westwindwirbel vielleicht auch hier in höheren Lulft-
schichten anzutreffen wären, ferner, wie weit in größeren Höhen eine
5isher immer noch theoretisch angenommene einheitliche Polar-
zirkulation, ein Polarwirbel, entsprechend den Verhältnissen der
Antarktis nachgewiesen werden könne, oder wie weit die Verteilung
von Wasser und Land, also der Einfluß Grönlands selbst, sich gel-
tend machen würde. Die Pilotballons wurden nach der bequemen
de Quervainschen Pilotanvisierungsmethode, einer trigonometrischen
Flugbahnbestimmung, verfolgt. Dank der Klarheit der Atmosphäre
konnten Richtung und Geschwindigkeit der Luftströmungen durch
70 Pilotballons bis 20000 m Höhe im Maximum verfolgt werden.
Die Beobachtungen von de Quervain und Stolberg ergaben, daß
wenigstens im April, Mai, Juni — wahrscheinlich auch später —
der öben genannte Wirbel nicht existiert. Die bisher von Ber-
son, Elias, Wegener u. a. in der Arktis gefundenen hohen westlichen
Winde kamen hier nicht vor, während selbst in den größten Höhen
die sonst so sehr seltene Süd- oder Südostströmung gefunden wurde.
Der Nordwind wurde hier als ein leichter, nur in den allertiefsten
Schichten auftretender Bodenwind erkannt. Die bei Spitzbergen von
Berson und Elias häufiger beobachtete Windstille kam in Westgrön-
land so gut wie gar nicht vor.
Auch die von Kousnetzow und Nadeew zu Taschkend in Si-
birien 1907 und 1908 veranstalteten erfolgreichen Registrierballon-
sondierungen ergaben neben hoher Inversion starke Westwinde in
der Höhe. Eine interessante technische Verbesserung der auch
hier mittels Registrierballons nach der Platzmethode ausgeführten
Untersuchungen bestand in der Anwendung von 15 kleinen ver-
tikal angeordneten Fallschirmen statt des bisher gebräuchlichen
einen großen.