Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

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Zwanzigstes Kapitel. 
Tegeler Schießplätzen, 
wo ein zweiter Regi- 
strierballon emporgelas- 
sen wurde — der erste 
war vor Sonnenaufgang 
in die Luft geschickt 
worden —, welcher ver- 
abredetermaßen in sei- 
nem Fluge von den 
beiden Insassen beob- 
achtet werden sollte. Bei 
der Weiterfahrt stellte 
es sich heraus, daß unser Ballon in niedrigeren Höhenschichten bis 
ungefähr 800 m eine mehr westliche, in 800—1400 m eine rein nörd- 
iiche und in den höheren Schichten eine mehr östliche Richtung 
einschlug. Es herrschte so starke Temperaturumkehr, daß man 
bald gezwungen war, sich des wärmenden Pelzes zu entledigen. 
In 900 m war, wie aus den unten angegebenen Daten ersicht- 
lich ist, eine im Mittel um 15° höhere Temperatur als auf der Erde. 
Bei über 3000 m kamen wir erst wieder auf die Erdtemperatur zu- 
rück; unsere tiefste Temperatur konnten wir nicht messen, weil wir 
die größte Höhe in völliger Dunkelheit erreichten und unser Korb 
nicht für eine Nachtfahrt mit elektrischen Glühlampen ausgerüstet war. 
Herr Berson hatte am Abend vorher beim Studium der Wetter- 
karte, die einen konstanten Südostwind von Berlin bis weit nach 
Nordwesten anzeigte, schon den Plan in Erwägung gezogen, die Ost- 
see zu überfliegen, und dementsprechend auch Karten mitgenommen, 
die Dänemark und den südlichen Teil von Schweden enthielten. 
Nach ca. einstündiger Fahrt — der Ballon schwebte ungefähr über 
dem Finowkanal — machte er mich mit seinen Erwägungen be- 
kannt. Es wurden alle Eventualitäten besprochen, namentlich der 
günstige Umstand, daß in niedrigeren Höhen die Richtung eine 
mehr westliche war, so daß in diesem Falle unter allen Umständen 
bei der Durchschnittsgeschwindigkeit von 40km pro Stunde Land 
in Dänemark erreicht werden mußte. Verhängnisvoll wäre es natür- 
lich geworden, wenn der Ballon gerade die lange Wasserecke des 
Sunds fassen würde. Ein Abschwenken nach Osten war nach der 
meteorologischen Lage äußerst unwahrscheinlich. Ein Entschluß 
wurde noch nicht gefaßt; erst nach einer. weiteren Stunde in der 
Gegend von Neustrelitz wurde die Hochfahrt definitiv aufgegeben, 
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