Full text: Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung

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Zwanzigstes Kapitel. 
;retende plötzliche Steigen durch den scharf nach oben gehen- 
den Strich. 
Die Residenzstadt Neustrelitz und später Demmin ließen 
wir links, Neubrandenburg rechts liegen; um 1', Uhr wurde 
die Küste bei Stralsund erreicht und Rügen in seinem westlichen, 
durch viele Buchten unterbrochenen Teile passiert. Auf dem Eise 
inter uns waren zahlreiche Fischer zu sehen, die ihre in den deut- 
ich erkennbaren Eislöchern hängenden Netze nachsahen. 
Auch bei Stralsund war die See zugefroren; scharf markierte 
sich aber die Fahrrinne der Fähre zwischen Stralsund und Rügen. 
Nach 2 Uhr wurde auch Rügen verlassen, und der Ballon schwebte 
nun völlig über dem freien Meere. Die eisfreie Ostsee war nicht 
sonderlich bewegt; aber der Schaum der Wellenkämme flimmerte 
und glitzerte hell zu uns empor. Die zahllosen Möven waren sicht- 
lich erschreckt durch das Erscheinen des Ballons und flogen ängst- 
lich hin und her. 
Wir stellten noch einmal an der Hand der Karte und mit dem 
Kompaß auf das genaueste unsere Fahrtrichtung fest und konsta- 
tierten, daß wir eine kleine Abweichung nach Osten hatten, die aber 
vorläufig zur Beunruhigung keinen Anlaß bot. 
Der Rückblick auf Rügen mit den Kreidefelsen von Stubben- 
kammer und Arkona war bei dem außerordentlich klaren Wetter 
ein herrlicher. Etwa um 83'% Uhr befand sich der Ballon mitten 
auf der Ostsee; Wasser, nichts als Wasser! Ganz in der Ferne 
Rügen und Schweden, beide jetzt ein schmaler Dunststreifen, den 
man wieder nur, weil man es wußte, als Land ansprach. 
Das herrlichste war kurz nach 4 Uhr der Untergang der Sonne, 
die als riesige Scheibe zunächst‘ in die Dunstschicht und dann in 
das Meer hinabtauchte. Bei einer Höhe von 1600 m in der klarsten 
Luft, die es geben kann, entfaltete sich die Farbenpracht in einer 
geradezu überwältigenden Weise. Besonders prächtig war im Osten 
der Widerschein im intensiv blaugrün schimmernden Streifen zu 
sehen. Ich habe in Frankreich über Wolken in 3000 m Höhe 
schwebend einen Sonnenaufgang in Sicht der Alpen, des Jura und 
der Vogesen erlebt; dem damals sich bietenden Farbenspiel gab 
dieser Sonnenuntergang in keiner Weise etwas nach. 
Eine ganz besondere Stimmung bemächtigte sich unser im Ge- 
ausse dieser Naturschönheiten noch infolge der ‚erhabenen Ruhe, 
die im Ballon herrschte; kein irdisches Geräusch störte das Emp- 
änden, in vollkommenster Ruhe zog der Ballon seine Bahn, kein
	        
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