139
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Alle Aerostaten — Staats- und Privatballons — führen die durch
Farben und außerdem durch ihre Form besonders kenntlich ge-
machte Landesflagge am Äquätor des Netzes. Ferner haben die
Staatsballons noch einen Wimpel zu setzen, der sich bei Militär-
ballons am Korbe, bei Zivilballons an der Hülle unter der National-
Aagge befindet. Die Form der Fahnen soll bis auf Entfernungen
von 4000 m mit bloßem Auge erkennbar sein.
Jeder Ballon darf nur die Farbe seiner eigenen Nation führen.
Alle Ballonführer müssen ein Führerzeugnis — brevet d’adronaute —
zesitzen, das die Führer des Privatballons ständig bei sich haben müssen.
Dieser Punkt erscheint sehr wesentlich und beachtenswert.
Beim Militär und bei den großen Luftschiffervereinen findet eine
eingehende Ausbildung zum Führer statt. Die Qualifikation wird
nach einer besonderen Probefahrt offiziell zugesprochen, wenn diese
»Führerschaft« zur Zufriedenheit der Kommandobehörde oder bei
den Vereinen einer ad hoc ernannten Kommission ausgefallen ist.
Der Wiener Aeroklub unterscheidet sogar noch Führer erster
and zweiter Klasse und macht die Ernennung zum Führer erster
Klasse von dem Ausfallen einer allein zu unternehmenden Ballon-
fahrt abhängig, ein Verfahren, das auch bei anderen Vereinen später
aingeführt worden ist.
Die Berufsluftschiffer dagegen und diejenigen Amateurluftschiffer,
die keinem Verein angehören, erteilen sich selbst die Befähigung,
Ballons zu führen, und fahren vielfach ohne die geringste Erfahrung
Jarauf los. Zur Vermeidung von Unglücksfällen wäre es sicher
sehr erwünscht, wenn hierin Wandel geschaffen würde.
Ein krasses Beispiel bietet der S. 377 erwähnte Fall des Ingenieur
Vollmer. Ein Laie, der die Fähigkeiten seines Führers nicht kannte,
wurde das Opfer von dessen Unfähigkeit. Hiermit ist der Zwang des
Einschreitens für die Behörden erwiesen. Aber auch gänzlich Un-
beteiligte sind Gefahren seitens solcher unausgebildeter Ballonführer
ausgesetzt. Schon bei der Füllung können sich bei unsachgemäßer
Leitung durch Explosionen unsagbare Unglücksfälle ereignen. Ferner
können auch bei der Landung Personen verletzt werden. Verfasser
konnte gelegentlich bei einem großen Verein feststellen, daß unter
ainem neuen, noch wenig erfahrenen Fahrtenausschuß über ein Jahr
lang mit Ballastsand gefahren wurde, der nicht gesiebt war. Ein
Wunder ist es zu nennen, daß hier nicht beim Auswerfen von Ballast
gelegentlich Leute auf der Erde durch Steine verletzt oder getötet
worden sind.