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Viertes Kapitel.
zeug drei Arten von Orientierungen: die kartographische, die
astronomische und die magnetische. Die erste, welche bei
sichtbarer Erdoberfläche angewendet wird, kann unter normalen
Verhältnissen für die einfachste gelten. Sie beschränkt sich im
Freiballon auf die Ortsbestimmung nach guten Übersichts- und
Spezialkarten. Für die Führung von Luftschiffen kommt es bei der
terrestrischen Navigation in erster Linie auf das Fahren nach Land-
marken an unter Berücksichtigung auch der meteorologischen Ver-
hältnisse. Hierbei sind der gesteuerte Kurs, der faktisch gefahrene
Kurs und die Windrichtung zu berücksichtigen.
Die astronomische Aeronavigation tritt ein, sobald die Orien-
tierung nach unten versagt, aber Gestirne sichtbar sind. Bei den
zuerst von Professor Dr. Marcuse vollständig durchgeführten astro-
nomischen Ortsbestimmungen im Ballon genügen nachts zur Orien-
tierung nach Breite und Länge Höhenmessungen an zwei helleren
Fixsternen, gelegentlich auch am Monde oder an den großen
Planeten. Diese Höhenmessungen werden am einfachsten und
schnellsten mit dem im Ballon erprobten Libellenquadranten
‘Butenschön in Bahrenfeld bei Hamburg) ausgeführt nach einer zuver-
lässigen Taschenuhr, die mitteleuropäische oder bequemer Green-
wicher Zeit (M. E. Z. — 1*) bis auf 10 Sekunden während eines Tages
festhält. Am Tage steht im allgemeinen nur die Sonne als ein-
ziges Gestirn zur Verfügung, so daß Höhenmessungen allein ent-
weder nur die Breite oder nur die Länge des Ballonortes ergeben,
je nachdem die Sonne nahe dem Meridian oder in der Nähe des
Ostwestvertikals steht. Deshalb gehören zur Ortsbestimmung am
Tage nach der Sonne für Breite und Länge (Differenz der beobach-
‚eten Ortszeit gegen mitgenommene Greenwicher Zeit) außer Höhen-
messungen noch Azimutpeilungen der Sonne mit einem besonderen,
gleichfalls im Ballon erprobten Peilfluidkompaß (C. Bamberg, Frie-
denau-Berlin). Derselbe Kompaß dient im Motorluftschiff nach voll-
ständiger Kompensation gegen die Eisenteile der Gondel auch zum
Steuern des Kurses.
Die zur Auswertung aller dieser Beobachtungen nötigen Rech-
nungen werden in der Gondel selbst während der Fahrt zumeist
nach den von Professor Marcuse in seiner Anleitung zur astro-
aomischen Ortsbestimmung im Ballon (Verlag G. Reimer, Berlin)
zusammengestellten Tafeln ausgeführt. Nur so ist die astronomische
Orientierung dem Ballonführer auch sofort von Nutzen, wobei es
nur auf eine möglichst schnelle und gesicherte Herleitung eines ge-