Theorie der Vortriebsschraube.
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nicht im vorhinein behaupten, daß die für die geradlinige Bewegung
von Flächen gefundenen Luftwiderstandsgesetze auch hier, für die aus
lortschreitender und drehender Bewegung zusammengesetzte Schrauben-
bewegung, Gültigkeit haben.
Nur ausführliche und sorgfältig durchgeführte Versuchsreihen, wie
sie in letzter Zeit in den Laboratorien von Dr. Bendemann - Linden-
berg, Eiffel- Paris systematisch erledigt wurden, fördern die Auf-
stellung theoretischer Grundsätze, wie man deren bei der Konstruktion
brauchbarer Formen benötigt.
Die in der Literatur auftauchenden Schraubentheorien fußen
sämtliche auf zwei grundsätzlich voneinander verschiedenen Auf-
fassungen über die Wirkung des Schraubenflügels: die statische
Theorie von Froude, wie sie bei Aufstellung der Gesetze für die Wirkung
der Wasserschraube festgelegt wurde, ist von der d ynamischen Theorie
von Rankine zu unterscheiden. Erstere sieht das Schraubenblatt als
sine Zusammensetzung einer unendlich großen Zahl schmaler Flügel-
elemente an, von denen sich jedes einzelne in aerodynamischer Hinsicht
wie eine Drachenfläche verhält, die gegen den Luftstrom bewegt wird;
die gesamte Reaktion der Luftströmung auf den Flügel wird als die Re-
sultierende aus den Einzelwirkungen betrachtet. Das Kräftespiel an
jedem Flügelelement wird unter Voraussetzung der Gültigkeit der früher
aufgestellten Luftwiderstandsgesetze bestimmt und dann aus den Kom-
ponenten des Luftwiderstandes durch eine auf die Schrauben-
Aäche ausgedehnte Summierung der Gesamtwiderstand und sein An-
teil an Schub- oder Zugkraft in der Schraubenachse bzw. das zur Be-
wegung der Luftschraube notwendige Drehmoment ermittelt.
Dieser Rechnungsvorgang fußt auf der Annahme, daß die Strömung
längs eines jeden Elementes unabhängig von dem benachbarten ge-
schieht, also eine Beeinflussung der Strömung innerhalb des betrachteten
Raumes weder durch Reibung noch durch Druckunterschiede in den
Nachbarschichten eintritt.
Die in neuerer Zeit bekannt gewordenen Flügelblatt-Theorien von
Ferber, Wellner, Drzewiecki, Eberhardt fußen auf Froudes
Anschauungen, während Prof. Reißners Theorie eine wesentliche Er-
weiterung der Froudeschen Ansätze unter Hinzuziehung von Rankines
Theorie darstellt, die für die Ergebnisse der Praxis wichtige Folge-
‚ungen zuläßt. Erwähnenswert ist noch die Rateausche Theorie, die
zum ersten Male die Strömungsverhältnisse an der Saugseite in be-
sonders hohem Maße berücksichtigt.
Rankine baut seine Theorie auf den in der Mechanik als allgemein
gültig angenommenen Satz vom Kraftantrieb auf. Sie hat den Vorzug,
von einer besonderen Voraussetzung über die Luftwirkung an dem Flügel
[rei zu sei.