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Lehrpläne und Lehrbetrieb,
Dagegen werden in weit größerem Umfange als früher Übersetzungen
ins Deutsche verlangt. Der deutsche Unterricht wird „neben dem
der Religion und Geschichte als der ethisch bedeutsamste in dem
Organismus unserer höheren Schulen“ hervorgehoben, womit der er-
zieherische Geist des Altertums eigentlich abgedankt erscheint. Eine
nennenswerte Erweiterung der Stundenzahl erhält das Deutsche je-
doch nicht, und eine grundsätzliche und klare Feststellung darüber,
wie sich der Geist des klassischen Unterrichts zu jener Dreiheit und
überhaupt zu den modernen Lehrfächern verhält, vermißt man. Es
kann scheinen, als ob es immer noch das humanistische Gymnasium
in der alten Bedeutung des Wortes sei, das durch einige Einschrän-
zungen seiner Ziele und einige methodische Reformen lebensfähig er-
halten werden soll. In Wirklichkeit freilich ist die Eigenart der neu-
humanistischen Schule zerstört und ein Nebeneinander gleichgewerteter
Fächer entstanden, das eines tatsächlich beherrschenden Mittelpunktes
antbehrt und nur allzu sehr an die Buntheit der älteren Realschule
arinnert.
Ein besonderes Verdienst der Neuordnung war es dagegen, daß
die Entwicklung der lateinlosen Mittelschule, welche für die Bildung
des kleinen Bürger- und Beamtenstandes zu sorgen hat, durch sie
zum Abschluß gebracht wurde. Lange Zeit hatte es zu wenig solcher
Schulen gegeben, welche die Mitte zwischen Volks- und Gelehrten-
schule einhielten; und die Überfüllung, unter der die Gymnasien
litten, war eine Folge dieses Mangels, Zuerst hatte die Bonitzsche
Reform vom Jahre 1882 für diese Schule eingehender Sorge getragen,
Sie unterschied siebenklassige Real- und sechsklassige höhere Bürger-
schulen, beide ohne Latein, aber mit der Berechtigung, das Zeugnis
zum einjährigen Dienst auszustellen; auch der Lehrgang dieser Schulen
war damals in den Hauptzügen festgelegt worden. Jetzt wurden
beide Schulformen zu einer verschmolzen. Die Schulen sind
sämtlich auf einen sechsjährigen Lehrgang beschränkt, dessen
Absolvierung zum einjährigen Dienst und gewissen subalternen
Beamtenstellen befähigt. Der Lehrgang entspricht dem der ersten
sechs Jahre der neunklassigen Oberrealschule, deren drei obere Klassen
aunmehr eine unmittelbare Fortsetzung des Realschulkursus bilden.
Ja, die Behörde ging weiter, indem sie auch für Gymnasien und
Realgymnasien eine Teilung des Kursus und einen ersten Abschluß
nach den ersten sechs Schuljahren vorschrieb, der durch ein Examen
bezeichnet wurde. Es waren schulpolitische Rücksichten, die hierzu
den Anlaß gaben; der Einheit des Gymnasiallehrplans konnte eine