Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

Lehrpläne und Lehrbetrieb. 
dem Kaiserlichen Erlaß heißt es in den Lehrplänen von 1901 aus- 
drücklich: „Durch die grundsätzliche Anerkennung der Gleichwertigkeit 
der drei Arten höherer Lehranstalten wird die Möglichkeit geboten, 
die Eigenart einer jeden kräftiger zu betonen.“ Gleichwohl ist es 
ein neuer Geist, der das preußische Unterrichtswesen beherrscht, und 
von hier aus seinen Einfluß auch auf die übrigen deutschen Staaten 
rascher oder langsamer, mehr oder weniger entschieden zur Geltung 
bringt. Versuchen wir, bevor wir uns den Einzelheiten zuwenden, 
zunächst diesen Geist in seinen allgemeinen Grundzügen anschaulich 
zu machen.) 
)2 
ZWEITER ABSCHNITT. 
Der allgemeine Charakter der heutigen Schulerziehung. 
Der Kaiserliche Erlaß vom November 1900, den wir im vorigen 
Abschnitt kennen gelernt haben, geht davon aus, daß „das Gymnasium, 
das Realgymnasium und die Oberrealschule in der Erziehung zur 
allgemeinen Geistesbildung als gleichwertig anzusehen sind.“ Schon 
hierin liegt ausgesprochen, daß keiner der vorhandenen höheren 
Schulen der Charakter einer Fachbildung oder auch nur einer 
spezifisch bestimmten Vorbildung eignet, daß vielmehr jede von ihnen 
zine allgemeine Bildung verleihen soll, die für alle Studienzweige eine 
gemeinsame Grundlage bietet. Von einer solchen Vorbildung nun 
nuß man freilich verlangen, daß ihr Inhalt allgemein wertvoll 
st, aber niemals wird sie ihrem Umfang nach die Werte sämtlich 
*) Nicht unerwähnt bleiben darf auch das umfassende Werk, welches unter der 
Aufschrift „Reform des höheren Schulwesens in Preußen“ 1502 von W. Lexis in Ver- 
bindung mit einer großen Anzahl hervorragender Schulmänner herausgegeben ist. Es ist 
keine amtliche Veröffentlichung, doch ist es unter der Ägide des Kultusministeriums er- 
schienen und namentlich der Ministerialdirektor Althoff hat sich um seine Gestaltung im 
zänzen und im einzelnen vielfach verdient gemacht. Sein Zweck ist, eingehender als es 
in dem amtlichen Stil ministerieller Vorschriften möglich ist, die Folgerungen und 
Wirkungen darzustellen, die sich aus dem Novembererlaß des Kaisers und überhaupt der 
Neugestaltung des Berechtigungswesens für den inneren Betrieb des Unterrichts ergeben, 
Es bildet also eine Art von Ergänzung und Ausgestaltung der amtlichen Lehrpläne, vor 
allem auch darin, daß es den Zusammenhang, aber auch den Gegensatz deutlich macht, 
in welchem die neue Epoche unseres Unterrichtswesens mit der Vergangenheit desselben 
steht. Es verbindet durchweg die Betrachtung dieser Vergangenheit mit dem Blick in 
die Gegenwart und dem Ausblick in die Zukunft, Für die in den folgenden Kapiteln 
enthaltenden Einzeldarstellungen ist dies Werk eine der Hauptquellen.
	        
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