Die deutschen Kadettenkorps.
Vorbemerkungen: Alle 3 Kadettenkorps des Deutschen Reiches haben sich
durch eine Reihe höchst mannigfacher Entwicklungsstadien hindurch*) zu militärischen
Erziehungsanstalten mit dem Lehrplan der 9klassigen höheren Schule, und zwar alle
iärei mit dem des Realgymnasiums herausgebildet, mit dem sie infolgedessen auch in
bezug auf das Berechtigungswesen auf einer Stufe stehen; in den Lehrplan werden
die Bedürfnisse des späteren militärischen Berufes nur insofern grundsätzlich projiziert,
als zum Teil das Planzeichnen von OT ab an die Stelle des Freihand- bezw. geometri-
schen Zeichnens und der geographische Unterricht auf Kosten des naturkundlichen mehr
in den Vordergrund tritt. Die Reifeprüfung ist für alle Kadetten verbindlich nur im
bayerischen Kadettenkorps; in Preußen und Sachsen tritt der weitaus größte Teil aus
O II nach erledigter Fähnrichprüfung aus, weshalb auch im Lehrplan gegenüber dem des
staatlichen Realgymnasiums einige — nicht wesentliche — Verschiebungen vorgenommen
sind, um der Schulbildung bis zum Ende der OII einen gewissen Abschluß zu geben,
Gegenüber dem starken Ansturm der öffentlichen Meinung, der sich namentlich
um das Jahr 1848 gegen das Kadettenkorps erhoben hat, hat sich die Überzeugung von
der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Anstalt sowohl unter dem Gesichtspunkt
ihres Charakters als Wohltätigkeitsanstalt wie unter dem des Bedürfnisses der Heeres-
leitung nach einem gesicherten Bestande des Öffiziersersatzes immer aufs neue gefestigt.
Den mit Recht gesteigerten Anforderungen an den Bildungszustand der Offiziere hat man
dadurch Rechnung getragen, daß man den Charakter des Kadettenkorps als einer höheren
Lehranstalt in zweckmäßiger Weise mehr und mehr betont hat, was in Preußen u. a.
dadurch zum Ausdruck kam, daß im Jahre 1900 beim Kommando des Kadettenkorps
die Stellung eines Oberstudiendirektors als fachmännischen Beraters des Kommandeurs
geschaffen worden ist. Der Standpunkt der Wohltätigkeit fand seine zeitgemäße Weiter-
entwicklung vor allem dadurch, daß man — in Preußen von 1809 ab — den Kreis
der Berechtigten allmählich über den Adel hinaus auf geeignete Gesellschaftskreise aus-
dehnte.
Die Kadettenkorps der meisten deutschen Staaten sind im Laufe der Zeit infolge
der mit Preußen abgeschlossenen Militärkonventionen zugunsten der Ausbildung der
*) Zur Geschichte der Kadettenkorps s. vor allem B. Poten, Geschichte des
Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge. 5 Bände. Berlin,
Hofmann & Comp. 1889ff. (zu dem (ijesamtunternehmen der Monumenta Germaniae
Paedagogica gehörig). Über die Beziehungen des preußischen Kadettenkorps zum höheren
Zivilschulwesen geben u. a. die Verhandlungen der Berliner Schulkonferenzen vom Jahre
1890 und 1900 mehrfach wertvollen Aufschluß.
Jahresberichte in der Art der Schulprogramme werden von seiten des bayerischen
Kadettenkorps herausgegeben.