Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

5 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland. 
mit der Vervollkommnung des Verkehrswesens führte zu einer Ein- 
schränkung in der Bewegungsfreiheit der Provinzialbehörden 
yegenüber dem Minister. Eine Erweiterung ihrer Zuständigkeit haben 
sie dagegen 1892 damit erhalten, daß ihnen die Ernennung und 
Bestätigung aller Oberlehrer übertragen worden ist und sie damit 
auch Disziplinarinstanz für sie geworden sind. 
Von der einstigen kirchlichen Aufsicht ist nur die Befugnis 
der Bischöfe und Generalsuperintendenten geblieben, von den religiösen 
Veranstaltungen der Schulen Kenntnis zu nehmen, die Religionsstunden 
zu besuchen und eine Konferenz mit den Religionslehrern zur Mit- 
teilung ihrer Wahrnehmungen hernach abzuhalten. Anweisungen zu 
erteilen sind sie jedoch nicht berechtigt. 
Körperschaftliche Beiräte beim Ministerium und den Provinzial- 
schulkollegien gibt es zur Zeit in Preußen nicht. Einst, nach Wilhelm 
von Humboldts Einrichtung, stand der zentralen Unterrichtsabteilung 
die wissenschaftliche Deputation zur Seite, die die vorzüglichsten 
Kenner der Bildungsbedürfnisse in sich vereinigen sollte. Und ebenso 
ordneten sich den Regierungen, als den damaligen mittleren Kirchen- 
und Schulaufsichtsbehörden, Deputationen für Kultus und öffentlichen 
Unterricht bei. Beides hörte mit der Errichtung des Kultusministeriums 
ınd der Unterstellung der höheren Schulen unter die Konsistorien auf. 
Erst als der konstitutionelle Gedanke im Staat zum Durchbruch 
xam, verschloß man sich an maßgebender Stelle von neuem nicht 
mehr der Erkenntnis, daß vor der Vornahme tiefgreifender Neue- 
‚ungen im höheren Schulwesen eine Beratung in einem größeren 
Kreise von Vertrauensmännern vorhergehen müsse. So trat die 
Landesschulkonferenz von 1849 zusammen, deren Mitglieder noch 
lediglich angesehene Schulmänner waren. Abermals ergab sich das 
Bedürfnis nach Berufung einer beratenden Versammlung nach der 
Gründung des Deutschen Reiches und veranlaßte den Zusammentritt 
der Oktoberkonferenz von 1873, der auch Nichtschulmänner an- 
gehörten. In jedesmal kürzeren Zwischenräumen folgten hierauf die 
Dezemberkonferenz von 1890 und die Junikonferenz von 1900, 
erstere ungefähr zur Hälfte, letztere zu einem weit geringeren Bruch- 
teil Schulmänner unter den Berufenen aufweisend. 
Alle vier Jahre finden abwechselnd in den einzelnen Provinzen, 
außer Berlin-Brandenburg und Hessen-Nassau, amtliche Versamm- 
lungen der Direktoren aller höheren Schulen unter dem Vorsitz 
von Provinzialschulräten statt. Die vom Provinzialschulkollegium aus- 
zuwählenden Beratungsgegenstände betreffen erziehliche und unter- 
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