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Der gegenwärtige Stand des Mädchenschulwesens in Deutschland. 319
2. Mittelstufe (VI—IV): Reichliche Übungen im sinngemäßen Lesen; KEr-
schließung des Lesestückes durch Zergliederung, Zusammenfassung und Wiedergabe des
'nhalts.
Rechtschreibe- und Interpunktionsübungen in wöchentlichen Diktaten in der Klasse.
— Schriftliche Wiedergabe prosaischer Lesestücke erzählenden Inhalts in allmählich ge-
steigerter Selbständigkeit des Ausdrucks und der Darstellung; in der Klasse freie Nieder-
schriften von Erlebtem, Gesehenem, Erfahrenem in kurzer, möglichst zwangloser Fassung.
— Im Anschluß an typische Beispiele elementare Belehrungen über die Unterscheidung
der starken und schwachen Flexion, den einfachen, erweiterten und zusammengesetzten
Satz und das Wichtigste aus der Wortbildungslehre, Diese grammatischen Belehrungen
inden gelegentlich der Lesestunde an geeigneten Prosastücken und Beispielen statt: ein
Leitfaden ist nicht erforderlich.
Fleißige Übung im Wiedererzählen. Erlernung und Vortrag einer Auswahl von
xedichten nach einem für die Schule festzusetzenden Kanon mit kurzen Notizen über die
Verfasser.
3. Oberstufe (III—I): Der Lesestoff in Klasse III ist vorzugsweise dem Gebiet
der deutschen Sage (Nibelungen, Gudrun), Uhlands Gedichten, den Freiheitssängern und
der deutschen Kulturgeschichte mit Berücksichtigung des Frauenlebens zu entnehmen.
Elementare Belehrungen über poetische und Stilformen nur, soweit sie zur Er-
läuterung des Gelesenen erforderlich sind. .
Die Klassen II und I benutzen in der Regel kein Lesebuch mehr. Klasse II
jest geeignete Abschnitte aus einer guten metrischen Übersetzung der Odyssee nach
einer Schulausgabe. Schillersche Balladen und ein Drama Schillers; ein anderes als
Privatlektüre.
Klasse I liest neben einer reichlichen Auswahl (Goethischer, Schillerscher und
Uhlandscher Gedichte abwechselnd Hermann und Dorothea oder Iphigenie von Goethe;
als Privatlektüre die andere der beiden genannten Dichtungen Goethes, Lessings Minna von
Barnhelm und ausgewählte Abschnitte von Dichtung und Wahrheit nach einer Schulausgabe,
Die Aufsätze beschränken sich auch auf der Oberstufe auf freiere Wiedergaben aus
dem Gebiete des Lehrstoffes und des der Schülerin vertrauten Lebens. In jedem Viertel-
jahr ein Klassenaufsatz. Der Umfang aller Aufsätze sei mäßig, ihr Inhalt auch anderen
Gebieten als dem des deutschen Unterrichts entnommen (Geschichte, Erdkunde, Natur-
wissenschaften). Aufgaben, welche zu ästhetischen oder moralisierenden Auslassungen
verführen könnten, sind nicht zu wählen. Es emphehlt sich, statt der Aufsätze zuweilen
vorbereitete Übersetzungen aus den Fremdsprachen anfertigen zu lassen.
Eine zusammenhängende Darstellung des Entwicklungsganges der deutschen
Dichtung, auch nur der des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts ist ausgeschlossen;
eingehendere Nachrichten sind in Klasse I zu geben von dem Leben und Dichten
Lessings, Schillers, Goethes und Uhlands; Klopstock und Herder im Anschluß an Lessing
und Goethe, soweit ihre Kenntnis für deren Verständnis notwendig ist. Der Zusammen-
hang mit der politischen (Geschichte und der allgemeinen Kultur der Zeit ist überall zum
Bewußtsein zu bringen, das Gebotene durch Mitteilung von Briefen, durch Bilder u. ä.
möglichst anschaulich zu gestalten.
Was der Schülerin von der epischen Dichtung des Mittelalters zu wissen nötig ist,
örfahre sie gelegentlich der Besprechungen der Nibelungen und der Gudrun. + Walther
von der Vogelweide schließe sich an die Behandlung der deutschen Kaiserzeit und des
deutschen Frauenlebens im Mittelalter; Luthers Bedeutung für das geistige Leben unseres
Volkes hat der evangelische Religions- und der (jeschichtsunterricht darzulegen; Hans
Sachs und das Volkslied sind mit der Behandlung von (Goethes Jugend zu verbinden.
Die gleiche Aufgabe, nämlich die Darstellung der einzelnen Er-
scheinungen in ihrem kulturgeschichtlichen Zusammenhange und in