Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

14 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland. 
waltung des höheren Schulwesens Deutschlands dadurch viel größer, 
laß im Einheitsstaat Frankreich das Ganze völlig einheitlich geordnet 
st, während im Bundesstaat Deutschland von den 26 Staaten jeder 
seine besonderen Einrichtungen hat. Außerdem geht in Frankreich 
ein Zug militärischer Befehlsgewalt von einer Einzelperson zur anderen, 
vom Minister beginnend bis herab zum Proviseur und Principal, 
während in Deutschland in allen Staaten, wenn auch in verschiedener 
Verteilung, kollegialische Körperschaften eingefügt sind, auf der Grund- 
däche überall die Lehrerkollegien mit dem Direktor an der Spitze 
ihrer Gemeinschaft, sodann vielfach die Verwaltungsbeiräte der 
Gemeinden und einzelnen Anstalten, die preußischen Provinzial-Schul- 
kollegien mit den periodischen amtlichen Direktorenversammlungen, 
die unter Vorsitz des Ministers beschließenden Obersten Räte in 
Württemberg und Baden usw. 
In Frankreich hat, von der Geschäftsvermittlungsstelle des 
Akademierektors abgesehen, nur der Minister selbst eine kollegialische 
Körperschaft zur Seite, und diese ist auf Gutachten beschränkt. 
Ein Gegengewicht gegen die Uniformität im Machtbereich des 
‘ranzösischen Unterrichtsministers bildete bisher die verfassungsmäßig 
gewährleistete Unterrichtsfreiheit, kraft deren eine sehr große Zahl 
Scoles libres, Privatschulen größtenteils geistlichen Charakters, vor- 
handen sind, die sich einer nur wenig beschränkten Selbstverwaltung 
zu erfreuen haben. Doch ist jetzt die Fortdauer der meisten unter 
ihnen durch den Kampf der Staatsgewalt gegen die Kongregationen in 
Frage gestellt. Die dem deutschen Wesen entgegengesetzte zentralistisch- 
nonopolistische Ader im französischen Volkscharakter gibt sich auch 
in diesem Kampf um die Schule wieder deutlich zu erkennen. 
So ziemlich das gerade Gegenteil von Frankreich zeigt Eng- 
land in den Verwaltungseinrichtungen seines höheren oder Sekundär- 
schulwesens. 
Eine einheitliche leitende Staatsbehörde für das Sekundärschul- 
wesen gibt es in England überhaupt nicht. Vier verschiedene Ober- 
behörden üben bestimmt umgrenzte Rechte über höhere Lehr- 
anstalten aus: 1. Das Education Department des Privy Couneil, die 
Zentralbehörde für das Elementarschulwesen, mit dem höheren nur 
insoweit in Verbindung, als von seiner Genehmigung die Überweisung 
von Stiftungsgeldern an die Stiftungsschulen abhängt. 2. Die Charity 
Commissioners, die die Verwaltung der staatlichen milden Stiftungen 
einschließlich der für die Schulen führen und Bedingungen an den 
Schulbetrieb für die Zuwendung von Geldern stellen dürfen. 3. Das 
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