Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

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Die Lehrerschaft der höheren Schulen. 29 
juch daran fest, dem höheren Lehrerstand einen wissenschaftlich ein- 
Leitlichen Charakter nach Möglichkeit zu wahren. Die ehemals vor- 
handenen Gradunterschiede im Zeugnis entschieden nicht über die 
Verwendbarkeit an einer bestimmten Schulgattung. Auch die anfäng- 
liche Einschränkung der Mathematiker, Naturwissenschafter und Neu- 
shilologen mit Realgymnasial-Zeugnis auf den Unterricht an Real- 
anstalten ist bald darauf wieder in Fortfall gekommen. Nur zeit- 
weilig und in einzelnen Punkten haben die preußischen Prüfungsvor- 
schriften Sonderbestimmungen bezüglich einer in Aussicht genommenen 
Tätigkeit an Realschulen enthalten. Schon seit 1887 hat aber auch 
lies wieder aufgehört. Der. von dem Unterschied der Schulgattungen 
unabhängigen Anstellbarkeit der Kandidaten ist auch damit Vorschub 
geleistet worden, daß die Freiheit in der Zusammenstellung der Lehr- 
befähigungen immer weiter ausgedehnt wurde. Sprach- und Sach- 
gegenstände, Gegenstände aus den Geisteswissenschaften und den mathe- 
matisch-naturwissenschaftlichen Bereichen können sich jetzt in mannig- 
faltigster Verbindung im Prüfungszeugnis bei einander finden und zum 
Unterricht eines und desselben Lehrers gehören, wobei insbesondere 
das Deutsche als gemeinsames Bindeglied zwischen den verschiedenen 
Gruppen hervortritt. Eine Scheidung der Oberlehrer- oder Direktor- 
stellen in solche für „Humanisten“ und für „Realisten“ gibt es nicht. 
Die im Vergleich mit Preußen und seit 1846 auch mit Sachsen 
weit schärfer ausgeprägt gebliebene althumanistische Richtung in den 
Lehrplänen der Gelehrtenschulen Württembergs und Bayerns hatte 
ir die Lehramtsprüfungsordnung zur Folge, daß von den „Humanisten“ 
die „Realisten‘“ streng abgesondert, und besondere Prüfungsbehörden 
für die einen und für die andern eingesetzt wurden. Die Rücksicht 
auf die wissenschaftliche Allgemeinbildung trat hier vormals bei den 
Humanisten hinter der Erforschung ihres altphilologischen Kenntnis- 
;tandes und ebenso bei den Realisten infolge des anfänglich fachschul- 
mäßigen Zuschnitts der Realanstalten sowie infolge der Stellung. der 
Mathematiker an den Gelehrtenschulen als Fach-Nebenlehrer hinter 
den Ansprüchen an die einzelnen Realfächer stark zurück. Indem jedoch 
auch hier die Gelehrtenschulen im Lauf der Zeit mehr neuzeitliche 
Bildungsstoffe aufnahmen und die Realanstalten sich zu allgemeinen 
Bildungsanstalten fortentwickelten, sind allmählich auch die Prüfungs- 
anforderungen an „Humanisten‘“ und „Realisten“ in allgemein bildungs- 
wissenschaftlicher Beziehung erweitert worden. 
So hat von entgegengesetzten Ausgangspunkten aus eine fort- 
schreitende Annäherung unter den deutschen Bundesstaaten in
	        
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