Full text: Die höheren Lehranstalten und das Mädchenschulwesen im Deutschen Reich (2. Band)

40 Grundzüge der Verfassung des höheren Schulwesens in Deutschland. 
tiefgreifenden Umgestaltungen in unserem ganzen‘ Öffentlichen 
Leben herbeigeführt worden. Führten schon die Kämpfe des 
neunzehnten Jahrhunderts um die politische Machtverteilung und die 
aus ihnen hervorgegangene Ausdehnung der Selbstverwaltung die Ge- 
bildeten in die Öffentlichkeit hinaus, so geschieht dies in noch weit 
verstärktem Maße, seitdem die sozialen Fragen zu beherrschender 
Wichtigkeit gelangt sind. 
Auch der höhere Lehrerstand mußte sich berechtigt und ver- 
Sflichtet fühlen, im staatlichen und gemeindlichen Ehrenamt oder in 
freier Vereinstätigkeit einen Teil seiner Kräfte gemeinnützigen Be- 
strebungen zu widmen. Inmitten der sozialen Kämpfe der Gegen- 
wart mußte er es aber auch seine Sorge sein lassen, für die Geltung 
seines eigenen Standes, für dessen wirtschaftliche und gesell- 
schaftliche Stellung mit Entschiedenheit einzutreten. Manche stille 
Gelehrtenarbeit, das konnte nicht anders sein, ist freilich darüber 
anterlassen oder liegen geblieben. Die stille Sammlung muß nun 
aber überhaupt einmal in unserer Zeit entlegnere Schlupfwinkel auf- 
suchen. 
DRITTER ABSCHNITT. 
Die Schulziele. 
Die höhere Schule hat die Aufgabe, die allgemeine Geistes- 
bildung der Zeit, die einem Volke eigen ist, ihren Schülern zu über- 
mitteln, soweit deren Aufnahmefähigkeit hierzu ausreicht. Die höhere 
Schule muß dem Wandel folgen, der im Geistesleben der Völker sich 
vollzieht, sie muß ihren Lehrplan umbilden, wenn er nicht mehr in 
der gehörigen Verbindung mit den veränderten Zeitansprüchen an 
die höhere Allgemeinbildung steht. 
Große Veränderungen im Bildungsinhalt haben die Völker 
zuropäischer Kultur im Lauf des 19. Jahrhunderts erlebt. Auf die 
spekulative Richtung der Wissenschaft im 18. Jahrhundert folgte mit 
der Entfaltung der Geschichts- und Naturwissenschaften eine empirische, 
Das Ideal individueller schöner Menschenbildung trat hinter dem der 
Vervollkommnung des Gesellschaftszustandes zurück. Die gesamte 
Lebenshaltung der Völker wurde durch die außerordentlichen Fort-
	        
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