Das ist für die Oberrealschul-Abiturienten genau dasselbe wie in
Preußen; beachten Sie aber wohl, daß Vorkurse für die Realgymnasial—
Abiturienten gar nicht gefordert werden.
Es kam dann bald darauf, am 11. Februar 1906, in Baden eine
neue Prüfungsordnung für die Theologie heraus, und in derselben wurde
zu unserer aller Freude die evangelische Theologie freigegeben für
die Realgymnasial- und Oberrealschul-Abiturienten. Der Text lautet:
„Die Gesuche um Zulassung zu dieser ersten Prüfung sind bei dem
dirchenrat einzureichen und es ist beizulegen:
Tauf⸗ und Konfirmationsschein.
Das Reifezeugnis eines deutschen humanistischen bezw. der entsprechen⸗
den Abteilung eines Reform-Gymnasiums einschließlich des Nachweises
der vorgeschriebenen Kenntnisse in der hebräischen Sprache. Sind
letztere beim Abgang von der Schule noch nicht erworben, so können
sie auf der Universität nachgeholt, müssen aber spätestens mit Ende
des zweiten Semesters durch eine Fakultätsprüfung bekundet werden.
Reifezeugnisse eines Realgymnasiums oder einer Oberrealschule
erlangen Geltung nur dann, wenn sie — abgesehen vom Hebräischen —
bis zum Ende des zweiten Semesters durch Ergänzungsprüfungen
im Griechischen bezw. im Lateinischen und Griechischen vervollständigt
werden. Ob dann die etwa vorher auf der Universität verbrachten
Semester zur Anrechnung gelangen, eutscheidet im Einzelfall der
Oberkirchenrat.“
Also die Realgymnasial-Abiturienten haben nur eine Er—
zänzungsprüfung im Griechischen, die Oberrealschulabiturienten eine Ergän—
zungsprüfung im Lateinischen und Griechischen abzulegen. Die Ausführungs—
bestimmungen, wie und wo diese Ergänzungsprüfungen stattfinden sollen, sind
noch nicht erlassen. Sie hängen nicht von der —A
nit deren Einverständnis durch den Oberkirchenrat festgesetzt. Aber das eine
steht also schon fest, daß von den Realgymnasial-Abiturienten
nicht eine nochmalige Prüfung im Lateinischen verlangt wird.
Bald am Anfang des neuen Etatsjahrs, am 21. April 1906, folgte
Hessen nach.
Die hessische Verfügung zeichnet sich ebenfalls durch ihre liberale Weite aus ;
ihr Wortlaut erinnert ein wenig an den Verein, der sich hier gebildet hat.
Der Verein heißt bekanntlich „Verein zur Gleichstellung der höheren Schulen“,
und es wird durch die Verfügung nicht die Jurisprudenz freigegeben, sondern
es werden die Schulen „gleichgestellt“. Der Wortlaut ist nämlich folgender:
„Wir verordnen hierdurch, was folgt:
Für die Zulassung zur Immatrikulation an der juristischen und
philosophischen Fakultät unserer Landesuniversität Gießen, sowie zu
den Prüfungen für den Staatsdienst im höheren Justiz⸗ und Ver—
waltungsfach, im höheren Forstfach und im höheren Lehramt werden,
soweit nicht bereits geschehen, die Reifezeugnisse der Gymna—
sien, Realgymnasien und Oberrealschulen einander gleich—
gestellt.“