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die Realgymnasial-Abiturienten bereits freigegeben ist. Sie sehen, daß diese
Staaten zusammen 37 Stimmen repräsentieren, daß sie 142 Realgymnasien
haben gegen 414 Gymnasien. Ihre Stundenpläne im Lateinischen sind sehr ver—
schieden. Württemberg steht an der Spitze mit 67 Stunden Latein; ihm folgt
Baden mit 56, Hessen mit 55, und dann geht es herunter auf 50 (Anhalt)
und 49 (Preußen), 3 Staaten haben noch weniger Latein wie Vreußen, die
geringste Stundenzahl hat Lübeck mit 42.
Dann kommen auf der Liste die anderen Staaten, in denen die Freigabe
der Jurisprudenz noch nicht erfolgt ist. Diese teile ich in drei Gruppen. Die
erste Gruppe bilden die Staaten, die nördlich des Harzes liegen; das sind die
heiden Mecklenburg, Oldenburg und Braunschweig. Dieselben repräsentieren
zusammen 6 Stimmen im Bundesrat, sie besitzen sieben Realgymnasien, von
denen aber allein 6 auf Mecklenburg-Schwerin entfallen. Die zweite Gruppe
bilden die thüringischen Staaten, und die dritte Gruppe Bayern allein.
Bei den dissentierenden Staaten handelt es sich vor allem darum, zu—
nächst die Ursachen der Widerstände aufzufinden und dann die Mittel zu be—
prechen, wie man diese Widerstände brechen kann.
Dreierlei, meine Herren, ist bei Betrachtung der Widerstände besonders
ins Auge zu fassen.
Erstens die Indolenz der eigenen Kollegen, die nichts tun
wvollen, besonders der Direktoren, die, namentlich wenn sie staatlichen An—
talten vorstehen, fürchten, Anstoß zu erregen. In Hessen haben sich die Kollegen
nicht irre machen lassen, und es ist ihnen nicht übel genommen worden; die
Vertreter der hohen Behörde kommen sogar zu unserer Versammlung.
Dann, meine Herren, ist ein zweiter beachtenswerter Punkt der, daß die
Schulbehörden selber nicht das nötige Wohlwollen für die Sache
haben, daß z. B. in der Behörde ein gewesener Gymnasialdirektor die Entscheidung
hat, dem die Sache nicht paßt. In Mecklenburg-Strelitz ist nach dem Teub—
nerschen Jahrbuche die Oberschulkommission das Konsistorium zu Neustrelitz
und dieses besteht aus 3 Mitgliedern: Vorsitzender Landgerichtspräsident Piper;
zweites Mitglied Oberkonsistorialrat Praefcke und drittes Mitglied Superintendent
Horn. Diese 3 Herren also, die gar nicht von unserer Fakultät sind, ent—
cheiden über die Gymnasien und Realanstalten, die Mecklenburg-Strelitz hat.
Nach demselben Jahrbuch besteht in Braunschweig die Oberschulkommission
aus 6 Herren: dem Unterrichtsminister Triepp, drei Gymnasialdirektoren,
dann einem Professor vom Polytechnikum und endlich einem Landrichter als
Sekretär. Diesen Herren unterstehen also das Realgymnasium und die Ober—
realschule in Braunschweig. Wir haben alle Veranlassung, auf dieses Miß—
derhältnis in den oberen Schulverwaltungsstellen hinzuweisen.
Der dritte Grund für das Zurückhalten der von uns gewünschten Schul⸗
reform liegt endlich mehrfach darin, daß die obersten Schulbehörden,
auch wenn sie der Reform günstig gesinnt sind, sich doch nicht den ihnen in
einer so wichtigen Kulturfrage gebührenden Einfluß gegenüber den
einzelnen Ressortministern zu schaffen wissen.
Was nun die erste Gruppe anbetrifft, so besteht in Mecklenburg—
Schwerin und -Strelitz bekanntlich noch kein Parlament. Es ist also nicht