Full text: Die Durchführung der preußischen Schulreform in ganz Deutschland

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möglich, dort durch die Parlamente Stimmung zu machen oder einen Druck 
auf die Regierung auszuüben. Um so dankbarer müssen wir es anerkennen, daß 
der unter uns weilende Ehrendelegierte für Mecklenburg-Schwerin die Sache 
in die Hand genommen und sich mit den übrigen Direktoren in Verbindung 
gesetzt hat, um eine Eingabe an das Ministerium zu richten. Er erhofft zwar 
keinen Erfolg, aber schon dieser erste Schritt ist freudig zu begrüßen, und wir 
wollen die Gelegenheit benntzen, den Freunden in Mecklenburg-Schwerin ein 
freudiges „Glück auf“ zuzurufen! 
In Oldenburg sieht die Sache besser aus; Oldenburg hat kein Real—⸗ 
gymnasium, es hat sich aber im Landtag wiederholt eine Mehrheit für den 
Antrag gefunden, daß die preußische Reform im Berechtigungswesen angenommen 
werde. Der Minister Ruhstrath II hat sich zwar bisher ablehnend ver— 
halten, aber ich denke, steter Tropfen höhlt den Stein; die Freigabe wird 
doch bald eintreten.“*) 
Ebenso günstig steht es in Braunschweig; dort hat der Landtag auf 
Anregung unserer rührigen Kollegen von der Oberrealschule bisher Beschlüsse 
zugunsten der Reform gefaßt; die Regierung verhält sich zunächst noch ab— 
ehnend, aber es ist zu hoffen, daß sie in absehbarer Zeit eine freundlichere 
Stellung einnehmen wird. 
Meine Herren, ich komme zur zweiten Gruppe, welche von 9 Staaten, 
den sogenannten thüringischen Staaten, gebildet wird. Diese vertreten im 
Bundesrat 9 Stimmen, obwohl sie an Einwohnerzahl 'wie an kerritorialer 
Ausdehnung nur der halben preußischen Provinz Sachsen gleichkommen. Sie 
besitzen 8 Realgymnasien. Von diesen sind 2 kombiniert mit Gymnasien und 
sind daher nicht in Betracht zu ziehen. Von den übrigen 6 sind 5 staatlich, 
aur eine ist städtisch. Von den 5 staatlichen erfolgt bei zweien die Abnahme 
der Reifeprüfung von preußischen Schulräten, und zwar in Schaumburg-Lippe 
»on Hannover aus und in Lippe selbst von Münster i. W. aus. Trotzdem 
ind sie der preußischen Schulreform nicht nachgefolgt. Die Stellung der 
hüringischen Staaten ist um so wunderbarer, als sie früher viel liberaler ge— 
wesen sind. Die Universität Jena war die erste, die schon vor 60 
Jahren die Medizin an die Abiturienten der Realgymnasien in Gotha und 
Eisenach freigegeben hat und auch das Studium der neuen Sprachen den 
Abiturienten der Realschulen erster Ordnung früher eröffnet hat als Preußen. 
Nun kommt noch ein besonderer Umstand hinzu. Der preußische Justizminister 
hat im vorigen Jahre angeordnet, daß der Erleichterung wegen preußische junge 
Rechtsbeflissene, die in Jena studieren, die Referendarprüfung am Oberlandes⸗ 
gericht in Jena ablegen können. Zu dieser Referendarprüfung werden erstens 
Mitglieder dieses Oberlandesgerichts zugezogen, zweitens Professoren der Juris— 
prudenz in Jena selber. Nun, meine Herren, stellen Sie sich folgenden Zu— 
stand vor: Sachsen-Weimar-Eisenach hat das Studium der Jurisprudenz an 
die eigenen Landeskinder noch nicht freigegeben, und es werden jetzt in Jena 
bor den Augen der eingeborenen Real-Abiturienten preußische Real-Abiturienten 
der Referendarprüfung unterzogen; sie selber werden nicht einmal zum Studium 
) Inzwischen ist schon eine entiprechende Vorlage dem Landtage zugegangen.
	        
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