der Jurisprudenz zugelassen. Der Direktor des Realgymnasiums in Weimar
schreibt mir, er habe jetzt jedes Jahr drei Klassen von Abiturienten. Erste
Klasse: solche, deren Viter in Preußen wohnen, die aber vor Obersekunda
als Auswärtige an die Anstalt gekommen sind. Wenn sie erst in Obersekunda
oder Prima eingetreten wären, hätten sie dazu die Erlaubnis des preußischen
Ministeriums und des weimarschen Ministeriums haben müssen; wenn sie aber vor
Obersekunda eintreten, brauchen sie die Erlaubnis nicht. Diese jungen Preußen,
deren Eltern in Preußen wohnen, haben nach bestandener Reifeprüfung am
Realgymnasium in Weimar einfach die Berechtigung, Jurisprudenz zu studieren,
auch in Jena. Zweite Klasse: solche Abiturienten, deren Väter in Weimar
wohnen, aber Preußen sind, also Postbeamte, Offiziere, Reichsbank-Beamte,
Eisenbahnbeamte usw.; diese Väter behalten für ihre Söhne das Indigenat
Preußens bei, folglich können ihre Söhne Jurisprudenz studieren auch in Jena.
Die dritte Sorte sind die eingeborenen Weimaraner, die können
nicht Jura studieren, vor allem nicht in Jena. Und das läßt wirklich die
Regierung hingehen, das mutet sie ihren Landeskindern zu! Es ist mir da
rin wundersam Ding passiert. Der Oberbürgermeister in Weimar, Geheimer
Reg.⸗Rat Pabst ist ein eifriger Freund der Schulreform; er hat wiederholt
Anträge gestellt, daß den Realanstalten größere Berechtigungen gegeben werden
sollten. Ich wandte mich an ihn, als die Verfügung wegen der Referendar—
prüfung da war, und sagte ihm, das könne er doch nicht ruhig mit ansehen,
wie lange denn der dortige Staatsminister noch rückständig bleiben wolle, wie
lange er sich die eigenen Landeskinder noch entfremden wolle. Da schrieb er
mir: Verehrter Herr Direktor, unsere Schule ist seit einem halben Jahr ver—
staatlicht, ich habe damit nichts mehr zu tun, aber da Ihr Brief so treffend
ist, so habe ich ihn mit Beilage an den Herrn Staatsminister geschickt.
Meine Herren, ich habe mich, wie Sie, über diese gefällige Weitergabe
meines Briefes herzlich gefreut, aber genützt hat er bis jetzt noch nicht.
Ich will Ihnen als ein Zeichen der Indolenz vieler Kollegen hier noch
folgendes mitteilen: Ich habe die 5 staatlichen Realgymnasialdirektoren der
thüringischen Staaten zur heutigen Versammlung eingeladen. Nur zwei haben
gedankt und ihr Fernbleiben entschuldigt. Die anderen drei haben gar nicht
geantwortet.
Meine Herren, ich verlasse diese Gruppe in der Hoffnung, daß diese
Staaten, die territorial umfaßt werden von Preußen und Sachsen und auf sie
in vieler Beziehung angewiesen sind, im Inleresse ihrer eigenen Landeskinder in
aicht zu ferner Zeit sich bewogen fübhlen werden, der preußischen Reform sich
anzuschließen.
Nun komme ich zur dritten Gruppe. Das ist Bayern für sich allein.
Bayern hat zwar nur 4 Realgymnasien neben 48 Gymnasien. Diese Real⸗
gymnasien haben aber 60 Stunden Latein, nahezu soviel, wie unsere Gymnasien
bon 1892 bis 1901 hatten. Die heutigen österreichischen Gymnasien,
deren Zeugnisse als gleichwertig den preußischen angenommen werden, haben
aur 50 Stunden Latein. Sie haben also weniger Lateinstunden als die
hessischen Realgymnasien und erheblich weniger als die bayerischen Realgymnasien.