Aus Bayern nun lagen außerordentlich hoffnungsvolle Nachrichten vor.
Es erschien die Nachricht, daß der liberale Abgeordnete Geiger einen Antrag
auf Gleichberechtigung der höheren Schulen eingebracht habe, und bald nachher
kam die Mitteilung, daß der bekannte Zentrumsabgeordnete Heim, unterstützt
von 51 Abgeordneten seiner Fraktion, einen ähnlichen Antrag gestellt habe.
Zu gleicher Zeit wurde von beiden Seiten die Errichtung von Oberrealschulen
gefordert. Die Zeitung, die diese Notiz brachte, setzte hinzu: „Ein solch er—
freuliches Ergebnis hatten wir nicht gehofft. Das wäre ein großer Fortschritt,
der in Bayern einträte!“ Es kam aber anders. Vor wenigen Tagen hat
die entscheidende Verhandlung im bahyerischen Landtag stattgesunden, vom 21.
bis 23. Mai; sie hat sich über 3 Tage hingezogen, und das Ergebnis, wie es
zunächst durch die Zeitung ging, war, daß die Errichtung von Oberrealschulen
einstimmig genehmigt, der Antrag aber auf Freigabe der Berechtigung an alle
Anstalten abgelehnt wurde, und ebenso der Eventualantrag, daß den Abiturienten
der Realgymnasien die Jurisprudenz geöffnet würde. Ich habe mir die Ver—
handlungen kommen lassen; der stenographische Bericht ist leider immer noch
nicht da, ich muß also zitieren nach den „Münchner Neuesten Nachrichten“, und
da es sehr leicht sein könnte, daß ich jemand Unrecht täte bei den Zitaten,
so will ich nur das Allersicherste und Tatsächlichste Ihnen mitteilen.
Zunächst ist das Ergebnis folgendes:
Erst werden 9 Oberrealschulen mit einemmal eröffnet; diesen wird auch
zleich eine große Menge von Berechtigungen gegeben, die wir stückweise be—
kommen haben, und zwar soll ihnen gegeben werden das Lehramt für Chemie
und beschreibende Naturwissenschaften, der höhere Bibliothekardienst, der bei uns
selbst den Realgymnasial-Abiturienten noch nicht freigegeben ist, die bayerische
Poste und Telegraphen-Verwaltung, das Hütten- und Salinenfach, sowie der
Heeresdienst. Meine Herren, das bedeutet für alle Oberrealschulen einen
bedeutenden Zuwachs an Berechtigungen. Die Stimmenzahl wird, wie wir
gesehen haben, erheblich günstiger für sie, wenn wir bezüglich der einzelnen
Fächer die Bundesratsstimmen zusammenzählen. Bei der Abstimmung in der
bayerischen Kammer über die volle Gleichberechtigung der höheren Lehranstalten
ist dieser Antrag gefallen mit 566 gegen 44 Stimmen. Das ist keine
große Majorität mehr, und denken Sie sich, daß unter diesen 44 Stimmen
von den 52 Zentrumsabgeordneten, die mit unterschrieben hatten, nur noch 12
waren! Die übrigen haben zum Teil gefehlt, zum Teil sind sie doch wieder
zurückgegangen zu der Partei von Orterer. Der Antrag auf eventuelle
Freigabe der Jurisprudenz an die Realgymnasial-Abiturienten ist gefallen mit
50 gegen 50 Stimmen, mit Stimmengleichheit. Das ist ein enormer
Fortschritt; 13 Abgeordnete vom Zentrum haben dafür gestimmt.
Wenn Sie nun die Verhandlungen lesen, so werden Sie Ihre helle
Freude haben, mit welcher Sachkunde die Herren, die diesen Antrag eingebracht
haben, vorgegangen sind. Die Abgeordneten Geiger, Casselmann, Dr.
Andreae und Dr. Heim haben alle Gründe gut und schön vor—
getragen, es ist eigentlich dagegen gar nichts zu sagen gewesen, und die Herren,
die dagegen gesprochen haben, haben auch gar nichts Haltbares vorzubringen gewußt.
Die Zentrumsabgeordneten haben sich einfach darauf beschränkt, zu sagen: Wir