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Gymnasiums bei grober Unkenntnis des Realgymnasiums; immer wieder ein
Beweis, daß der gymnasial vorgebildete Jurist, selbst wenn er Minister ist, sich
nicht so leicht in jedem Fache zurecht findet.
Selbstverständlich spielt auch ein wenig der Partikularismus in den
Streit hinein. Der Unterrichtsminister, in die Enge getrieben, sagt: „Jeder
Staat setzt seine Prüfungsordnung für die einzelnen Sparten fest. Nachdem
diese Unterschiede bestehen, sehe ich nicht ein, warum man in Bayern so auf
die Beseitigung dieses Unterschiedes dringen will.“ Dann ruft ein Zentrums—
abgeordneter (Reeb) — und das ist sehr charakteristisch, — aus:
„Persönliche Neigungen waren es, die regis voluntas war es, die
„durch den Kieler Erlaß die Sache in Fluß gebracht hat. Sic volo, sic
„jubeo!“ das war das Schwert, das den gordischen Knoten nicht gelöst,
„sondern durchhauen hat. Aber es waren keine inneren Gründe, Herr
„Casselmann! (Abgeordneter Casselmann ruft „Hier!“ Heiterkeit. NHic
„Rhodus! Deshalb haben Sie auch getanzt, aber wir tanzen nicht mit!
(Heiterkeit, Der Kaiser ist nicht entscheidend in Bildungs—
fragen.“ („Bravo!“ von verschiedenen Seiten.)
Der ganze Streit, der, wie gesagt, drei Tage lang gedauert hat und
von seiten unserer Vertreter außerordentlich geschickt geführt worden ist, schließt
ztwas drastisch ab. Dr. Casselmann hatte den Ministern gesagt, sie würden
so lange warten, bis der Anschluß versäumt wäre. Darauf antwortete der
Unterrichtsminister v. Wehner:
„Der Herr Abgeordnete Casselmann hat gesagt: „Wenn Sie nicht ein⸗—
steigen, fährt der Zug ohne uns!“ Lassen Sie ihn nur abfahren! Wir
kommen nicht zu spät. Die Minister werden den von Dr. Geiger und Dr.
Tasselmann veranstalteten Extrazug nicht benutzen. Es verkehren ja so viele
Züge zwischen Dresden und Berlin, zwischen Stuttgart und Karlsruhe, daß
wir, wenn wir auch jetzt nicht mit dem Zuge mitkommen, noch immer mit einem
anderen fahren können. (Zurufe links: Mit dem Güterzug, mit dem Bummel⸗
zug!) Wir fahren nicht mit dem Bummelzug! Also, meine Herren, steigen
Sie nicht ein in den Extrazug, sondern warten Sie, bis die Minister mitfahren!“
Nun, meine Herren, wir wollen auch ruhig warten, bis die bayerischen
Minister mitfahren. In zwei Jahren werden sie hoffentlich den Anschluß er—
reichen, da wird wohl ein Zug mit ihnen von München nach Berlin gegangen
sein, und es wird eine Einigung in dieser Frage erfolgt sein.
Meine Herren, ich bin zu Ende; ich habe 3 Leitsätze unter Sie ver—
teilen lassen, welche weiter nichts bringen, als was wir voriges Jahr schon
ausgesprochen haben: Erstens, daß wir denen danken, die uns behülflich gewesen
sind; zweitens, daß wir unsere Kollegen in den Staaten, wo die Freigabe noch
nicht erfolgt ist, auffordern, daß sie die Schulbehörden veranlassen
mögen, etwas zu tun; und drittens, daß wir den Rat geben, es mögen Anträge
in den Volksvertretungen gestellt werden auf Freigabe aller Fächer,
so wie sie jetzt in Baden erfolgt ist.
Und so kann ich nur mit dem Ausdruck der Hoffnung schließen, daß,
wenn wir uns in 2 Jahren wieder treffen, die letzten Schranken gefallen sind,
und Deutschland auch in Bezug auf die Schulberechtigungen
geeinigt dastehen wird!