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Anlage 1.
Ausserdienstliche Tätigkeit von Lehrern
technischer Fächer.
Lediglich durch die Unterrichtstätigkeit ihrer Lehrer ist noch keine
Hochschule zu Namen und Ansehen gelangt, sondern in erster Linie durch
4eren wissenschaftlichen und technischen Leistungen. Ohne solche Leist-
ungen verkümmert auch der Unterricht. ‘Sehr gut sagt Wickop: „So
‚ziehen die Technischen Hochschulen ihre beste Kraft aus der steten Be-
rührung ihrer Lehrer mit dem praktischen Leben.“
Das ewige Wiederkäuen desselben Stoffs ohne befruchtende An-
vegungen durch die Praxis macht die Lehrtätigkeit für Lehrende und
Lernende mit der Zeit zu einer geistlosen Paukerei.
Schon wenn man für zwei aufeinanderfolgende Jahre dasselbe Manus-
kript ohne erneutes Durcharbeiten benützt, fühlt man selbst, wie der
Gegenstand beginnt leerer und blutloser zu werden. Dies aber fühlen
auch die Hörer sehr rasch. — Nur die Furcht vor dem Examen hält auf
4jie Dauer die Lernenden bei Lehrern ohne wissenschaftliche und prak-
sche Tätigkeit.
Deshalb liegt für alle Lehrer technischer Fächer die unbedingte Not-
wendigkeit einer regen praktischen und wissenschaftlichen Betätigung
vor, damit sie auf der Höhe bleiben können. Weder Besichtigungen
noch wissenschaftliche Lektüre vermögen eigene Tätigkeit zu ersetzen.
Wer sie nicht ausübt, erfüllt seine Pflicht als Lehrer nicht vollständig.
Denn technische Forscher- und Lehrtätigkeit und technische Praxis be-
dingen sich und befruchten sich gegenseitig. Was beim bildenden. Künstler
ınd Architekten für selbstverständlich gilt, dass sein Unterricht nur SO-
lange fruchtbringend sei, als er selbst fruchtbar ist, das gilt genau eben-
so vom Ingenieur und Chemiker, Wer von diesen nicht dauernd in
Theorie und Praxis mitarbeitet, wird bald einen Vortrag bieten, den jeder
halbwegs begabte Hörer sich ebensogut durch ein brauchbares Lehrbuch
arsetzen kann. Theoretische oder praktische Betätigung der Hochschul-
lehrer, überhaupt aller technischen Lehrer, ist also nicht eine Sache, die
man ihnen gewissermassen nachsichtig gestatten kann, sondern der Staat
hat im wohlverstandenen eigenen Interesse alle Ursache sie zu fördern,
wie er es bei bildenden Künstlern, Architekten und Medizinern für selbst-
verständlich hält.
Deshalb werden mit Recht in einzelnen deutschen Ländern die Hoch-
schullehrer vom Staat selbst regelmässig zu gutachtlicher Tätigkeit heran-
gezogen. Sie haben dadurch Gelegenheit, sich praktisch zu betätigen
und ihre so gewonnenen Erfahrungen der heranwachsenden Generation
von Ingenieuren mitzuteilen, In Nordamerika arbeiten sogar die Abtei-
lungen für Nationalökonomie an dem Zustandekommen von Gesetzent-
würfen u. dergl. offiziell mit. *)
*) Zeitschr. des Verein deutscher Ing, 1913 Bd. 57 S. 1573.