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wie im Äußern schwingt verhaltene Lebensfreude. Die Formen der
beiden mächtig viereckigen, flachgedeckten Osttürme, deren Unter-
geschosse mit denen des herrlich gegliederten Chors, den sie flan-
kieren, korrespondieren, klingen auf wie ernste Melodien; das
durch zierliche Galerien belebte Massiv der Zentralkirche gibt den
Orgelton dazu. Im Innern gibt sich der mit Kapellennischen umge-
bene Zentralbau mit freier Grandiosität, ohne eigentlich groß in den
Abmessungen zu sein. Er erinnert entfernt an die karolingische Pa-
lastkapelle in Aachen, wenigstens in den unteren Partien. Auch hier
stört moderne Bemalung; doch nicht so sehr, daß der Gesamtein-
druck darunter leidet. Die Sprache des Raums tönt über alle Stö-
rungsversuche hinweg. St. Gereon ist in seiner Art ein Höchstes, ein
Bau, der sich unvergeßlich einprägt.
Von Köln wandern die Gedanken wie von selbst hinüber nach
Trier. Nicht nur um des merkwürdigen Doms willen, der ebenfalls
aus einem römischen Bau entstanden ist, sondern weil in dieser Stadt
aufs anschaulichste alte römische Baureste neben frühen romani-
schen Bauten noch dastehen und diesen unmittelbar verglichen wer-
den können. In keiner andern Stadt ist dieser Vergleich so zu gewin-
nen. In Trier ist mit Händen zu greifen, wie eng das römisch Antike
und das deutsch Romanische zusammenhängen; Daß sich im Rhein-
land so viele Kirchen auf römischen Fundamenten erheben, ist nicht
Zufall, sondern Wahlverwandtschaft. Erst im 9., 10. und 11. Jahr-
hundert ist den Deutschen offenbar der Sinn der antiken Reste un-
mittelbar aufgegangen. Gewisse Teile in der Front des Doms — der
ein Konglomerat von monumentalen Baugliedern ist — wirken
unmittelbar antik. Das Nebeneinander der beiden Kunstwelten in
Trier ist eines der stärksten Erlebnisse, das die deutsche Bauge-
schichte bietet. Nicht nur für den Historiker, sondern auch für den
naiv künstlerisch Empfindenden. In der römischen Gesinnung, die
auf vorgeschobenem Kolonialposten, weit von der Mutterstadt ent-
fernt, Städte gründete und Bauten von der wuchtigen Weiträumig-
keit der Thermen, der Porta nigra, der Basilika usw. auftürmte,
und in der Gesinnung der romanischen Menschen, die auf müh-
sam gerodetem Boden Sakralbauten errichteten, die Bollwerken
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