Full text: Deutsche Baumeister

erstrebt. Die Baukunst ist die Kunst des Möglichen. Die Natur macht 
sich keiner Widersinnigkeiten schuldig; der Zwang zum Bedingten 
läßt in der Baukunst das dämonisch Schwärmende nicht zu. 
Dafür ist im Talent des Baumeisters von Natur ein Universalismus. 
Freilich ist es mehr eine Ordnungskraft als eine Gestaltungskraft. 
Der Baumeister ist vieles und vielerlei in einem. Zunächst ist er ein 
Handwerker; denn aus dem Stande des Maurers, des Zimmerers, 
des Steinmetzen ging er von je hervor. Sodann ist er etwas wie ein 
Beamter sozialer Bedürfnisse, weil er Forderungen der Allgemein- 
heit und der Einzelnen verwirklicht und auf einen gemeinsamen 
Nenner bringt. Indem er dieses tut, wird er auch zum Unternehmer 
im reinsten Wortsinne, zum Hersteller neuer Werte, der ein Heer 
von Handwerkern in Bewegung setzt, darüber herrscht und es plan- 
voll zusammenhält. Ferner ist er ein Gelehrter, der die Stil- und Be- 
rußtraditionen verwaltet, das Schöne wissenschaftlich begreift, das 
Material studiert, die Erfahrungen sammelt, die Geschichte kennt 
und die Konstruktion nachrechnet. Ein Künstler ist er endlich in- 
sofern, als er alles dieses zugleich sein kann, und als das Letzte und 
Entscheidende der künstlerischen Wirkung, das von Nuancen ab- 
hängt, Sache des persönlichen Talents ist. Ein Künstler ist er, weil 
ar jedes Bauwerk zu einem Individuum machen und so aus dem All- 
gemeinen das Einmalige gewinnen kann. 
Bei solcher Anlage kann der Baumeister nicht ein eigenwilliger 
Revolutionär oder ein Sonderling, er kann in keiner Weise unmäßig 
sein: er ist vielmehr ein Mann von Welt, Um seine Begabung zeigen 
zu können, muß er bauen, um bauen zu können, bedarf er des Auf- 
trages; jeder Auftrag aber ist an Bedingungen des Bedürfnisses ge- 
knüpft. Wollte er nur auf dem Papier bauen, so würde er sein Bestes 
unterdrücken; denn erst auf dem Bauplatz kann er seine Selbster- 
ziehung vollenden. Dort aber treten an ihn so viele unausweichbare 
Forderungen heran, daß er notwendig Kompromisse schließen muß. 
Eine Folge ist, daß sich Mitwelt und Nachwelt um die Namen be- 
deutender Baumeister nicht groß kümmern. Werden die Namen gro- 
Ber Maler oder Bildhauer genannt, so steigen geschlossene Kunst- 
welten vor dem Auge auf, die von ihren Schöpfern untrennbar sind. 
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