keit, Frivolität, Sinnlichkeit und Genuß. Was in den katholischen
Volksteilen an Phantasie und Bildungskraft vorhanden war, suchte
und fand ein Arbeitsfeld in den von seiten der Gesinnung nicht kon-
trollierbaren architektonischen Künsten: der gegenreformatorische
Zug der Zeit erwies sich als stilbildend und begünstigte eine neue
Blüte der Raumkunst.
Nicht weniger stark und nicht weniger einseitig bestimmt waren
die Impulse, die von der weltlichen Macht ausgingen. Im siebzehn-
ten und achtzehnten Jahrhundert wurden die großen europäischen
Reiche endgültig begründet und national abgeschlossen. Die Zeit
der städtischen Macht war vorüber. Sie war nicht zureichend ge-
wesen, um große Ganzheiten einheitlich zu regieren. Dazu war nur
ein streng zentralisierendes, autokratisch herrschendes Königtum
imstande. Da das Unvermeidbare und Nützliche immer auch zu
einem Sittlichen gemacht wird, so wurde die unbedingte Fürsten-
macht mit der Gloriole des Gottesgnadentums umgeben. Der Fürst
war überall der Staat. Regierungsformen und Lebensformen wur-
den aristokratisch, nachdem sie zweihundert Jahre lang viel Demo-
kratisches gehabt hatten: der Adel, vor allem der Hofadel, wurde,
als Werkzeug des Selbstherrschers, mächtig. Es entstand das Frank-
reich Ludwigs des Vierzehnten, England begann ein Weltreich zu
werden, Holland erlebte seine große Zeit, Spanien war immer noch
einflußreich, Österreich wurde nach dem großen Kriege schnell
mächtig als das Reich im Osten, Preußen schickte sich an, eine welt-
geschichtliche Mission zu erfüllen, und sogar Rußland trat unter
Peter dem Großen in die Reihe der europäischen Großmächte. Da
sich die Fürstenmacht an den Höfen zentralisierte, wollte sie dort
auch repräsentieren. Aus Gründen der Politik und aus Neigung
brauchten die Höfe einen Repräsentationsstil, eine die Fürstenmacht
verherrlichende Baukunst von gleichnishafter Kraft und Fülle. Die
Fürsten forderten nicht nur ein Krönungsornat, das sie zu den vor-
nehmsten Akteuren machte, sondern auch eine Bühne der Kunst,
auf der sie vor allem Volk pomphaft ihre Heldenrolle spielen konn-
ten, wo sie gewissermaßen mit künstlichem Sonnenlicht blendend
angestrahlt wurden. Das wirkliche Leben sollte zu einer Welt der
136