Full text: Deutsche Baumeister als Beauftragte ihrer Zeit

zum Unternehmer im reinsten Wortsinne, zum Hersteller neuer Werte, 
der ein Heer von Handwerkern in Bewegung setzt, darüber herrscht und es 
planvoll zusammenhält. Ferner ist er ein Gelehrter, der die Stil- und 
Berufstraditionen verwaltet, das Schöne wissenschaftlich zu begreifen 
sucht, das Material studiert, die Erfahrungen sammelt, die Geschichte 
kennt und die Konstruktion nachrechnet. Ein Künstler ist er endlich in- 
sofern, als er alles dieses zugleich sein kann, und weil das Letzte und Ent- 
scheidende der künstlerischen Wirkung, das von Nuancen abhängt, Sache 
des persönlichen Talents ist. Ein Künstler ist er, weil er jedes Bauwerk zu 
einem Individuum machen und so dem Allgemeinen das Einmalige ab- 
gewinnen kann. 
Bei solcher Anlage kann der Baumeister nicht ein eigenwilliger Revo- 
lutionär oder ein Sonderling, er kann in keiner Weise unmäßig sein; er ist 
vielmehr ein Mann von Welt. Um seine Begabung zeigen zu können, 
muß er bauen, um bauen zu können, bedarf er des Auftrages; jeder Auf- 
trag aber ist an Bedingungen des Bedürfnisses geknüpft. Wollte er nur auf 
dem Papier bauen, so würde er sein Bestes unterdrücken; denn erst auf 
dem Bauplatz kann er seiner Selbstverwirklichung zustreben. Dort aber 
treten an ihn so viele unausweichbare Forderungen heran, daß er not- 
wendig Kompromisse schließen muß. . 
Eine Folge ist, daß sich Mitwelt und Nachwelt um die Namen be- 
deutender Baumeister nicht groß kümmern. Werden die Namen großer 
Maler oder Bildhauer genannt, so steigen geschlossene Kunstwelten vor 
dem Auge auf, die von ihren Schöpfern untrennbar sind. Mit solchen 
Vorstellungen werden Namen großer Baumeister nicht verbunden. Es ist 
bezeichnend, daß der Laie einerseits von großen Malern und Bildhauern 
spricht, anderseits aber von der Baukunst. Dort stellt er die Persönlichkeit 
voran, hier ist ihm das Allgemeine wichtiger als die Persönlichkeit. Maler- 
namen sind ihm geläufig, kaum ein Baumeistername aber wird mit einer 
lebendigen Vorstellung verbunden. Die geistige Stimmung bildet sich erst 
langsam, wenn von bestimmten Bauwerken gesprochen wird, vom Straß- 
burger Münster oder vom Zwinger in Dresden. Denn die Baukunst ist die 
objektivste aller Künste und schwer zugängig. 
Es findet jedoch ein Ausgleich statt. Wenn der Baumeister unter den 
Künstlern als der am wenigsten persönliche erscheint. so ist seine Kunst
	        
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