Full text: Deutsche Baumeister als Beauftragte ihrer Zeit

keit künstlerisch betrachtet nichts fruchtete. Ein Bauoptimismus kam auf, 
wie Deutschland ihn noch nie erlebt hatte; doch war es ein Bauen ohne 
Meister. Es war keine Kirche mehr da, die zündende Bauprogramme hätte 
geben können; denn im Eifer jungen naturwissenschaftlichen Erkennens 
verlernten die von der allgemeinen Volksbildung halb aufgeklärten Zeitbür- 
ger das Beten. Das religiöse Bedürfnis wurde konventioneller und mit ihm 
wurde es die Kirche, die katholische sowohl wie die protestantische. Auch 
die Fürsten konnten Bauherren im Stile der Barockzeit, die Stile nach 
Königsnamen benannt hatte, nicht mehr sein, sie konnten es nicht einmal 
mehr im Sinne eines Außenseiters wie Napoleon sein; sie wurden konsti- 
tutionell und hatten nur noch die halbe Macht. Die andere Hälfte hatte das 
Parlament. Die ganze Macht, die der Baukunst unentbehrlich ist, hatte 
keiner. Darum konnte der Baumeister nicht mehr mit dem Könige gehen. 
In Bayern wurde der letzte Versuch dieser Idealgemeinschaft unter der 
Regierung Ludwigs des Ersten (1825-1848) gemacht, doch führte er nur 
zu einem akademischen Formalismus. Die Städte konnten ebenfalls nicht 
Auftraggeber sein, wie sie es im Mittelalter gewesen waren, denn die 
moderne Selbstverwaltung untergrub das einheitliche Regiment. Sie waren 
nicht, wie einst, in sich geschlossene Stadtwirtschaften, sondern wurden 
Mittelpunkte weltwirtschaftlicher Interessen. Das ließ sie formlos werden. 
Die Parteien regierten, und es gab so viele Sinne, wie es Köpfe gab. 
Entscheidend war, daß die Gesellschaftsformen sich auflösten. Die Erb- 
stände hatten sich überlebt, die Berufsstände bildeten keine feste soziale 
Gliederung, alle Angehörigen des Volkes wurden. zu Staatsbürgern mit 
gleichen Rechten. Unterschiede — freilich sehr krasse Unterschiede — schuf 
nur das Geld: es entstanden Klassen von Besitzenden und Besitzlosen. Die 
Folge waren erbitterte Klassenkämpfe. Die wirkliche Herrschaft, wenn 
auch nicht immer die formale, lag in den Händen der Besitzenden: der 
Bürger. Sie aber waren nicht Autoritäten, die als Bauherren hätten an- 
gesprochen werden können. 
Soll das Bürgertum aber fruchtbar für die Kultur tätig sein, so braucht es 
über sich eine konstruktiv denkende Autorität. Nun mag das Bürgertum 
jedoch seiner Eigenart nach die starke Autorität nicht dulden. Stets schwebt 
ihm ein Ideal von Freiheit vor, die Ungebundenheit ist und die eben darum 
die Form in Frage stellt: die Form des Religiösen, die Kirche heißt, die 
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