Full text: Deutsche Baumeister als Beauftragte ihrer Zeit

teil, sie hatte sich fast feindlich von ihr getrennt. Selbst die Skulptur hatte 
schließlich mit der Architektur nichts mehr zu schaffen. Die Absonderung 
und Vereinzelung der Künste war vollkommen. 
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An ernsten Anstrengungen, das Chaotische der Großstadtarchitektur zu 
überwinden, hat es nicht gefehlt. Doch waren diese Anstrengungen von 
vornherein zu einem nur halben Gelingen verurteilt, schon bevor sie be- 
gannen. Herrschfähige und ausdauernde Formen der Baukunst haben zu 
allen Zeiten und überall von oben herab nach unten gewirkt, das heißt, 
sie sind im Sakralen und Repräsentativen ausgebildet und sekundär dann 
auf den Profanbau angewendet worden. Die modernen Reformer aber 
gingen — es blieb ihnen nichts anderes übrig — vom profan Zweckhaften, 
von der Prosa des Nützlichen aus, und sie hofften, eines Tages zum Repräsen- 
tativen und wohl gar zum Sakralen emporsteigen zu können. Dieser Weg 
zeugt von ehrlicher Gesinnung, mußte sich aber nach den ersten Schritten 
in der Wildnis der Zeit verlieren; aus dem Samenkorn kann nur der Baum 
entstehen, dessen Formenfülle geheimnisvoll schon im Keim enthalten ist, 
Da das Eisen als Baumaterial nun vielfach Verwendung fand, konnte es 
nicht fehlen, daß fortschrittlich gesinnte Architekten hoffnungsfreudig 
gleich von einem neuen Eisenbaustil sprachen, obwohl in diesem Augen- 
blick schon der Ingenieur Herr der Eisenkonstruktion geworden war, der 
sich um Fragen der Form wenig kümmerte. Sempers Theorie wirkte nach, 
als die Überzeugung aufkam, es ließen sich neue Stilformen allein aus 
neuem Material gewinnen. Der Widerspruch gegen die charakterlosen 
Stilimitationen wirkte mit. Die Naturalisten der Architektur gerieten in 
ein Extrem. Sie ließen vereinfachte Eisenkonstruktionen durch sich selbst 
wirken, sie erfreuten sich der Ehrlichkeit der Gerüst- und Gerippeformen 
und gaben sich der Illusion hin, Ehrlichkeit genüge zum Entstehen einer 
neuen Formenwelt. Nahrung fand diese Illusion an den unzweifelhaft 
starken Wirkungen, die von mächtigen Eisenbrücken und Eisentürmen, 
von Bahnhofshallen und weitausgreifenden Kranformen ausgehen können. 
Das Präzise, Logische und sichtbar zweckmäßig Konstruierte des Eisen- 
baues wurde mit Kunstwirkung verwechselt. Dabei wurde gern des jungen 
Goethe Wort zitiert. die Kunst sei lange bildend, ehe sie schön ist. Schnell 
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