Full text: Aerodynamik (Band 2)

I. Kapitel. Kräftegleichgewicht im geraden Flug 
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8 6. Gewinnung des numerischen Materials. 
Die besprochenen theoretischen Zusammenhänge folgen in höchst einfacher 
Weise aus den beiden Grundgleichungen; sie gewinnen ihren praktischen Sinn 
aber erst dadurch, daß sie numerisch verwendet werden; die genaue Feststellung 
der Zahlenwerte, welche für die einzelnen Größen, insbesondere für die empirischen 
Funktionen einzusetzen sind, ist das wichtige Hauptproblem, welche die Kraft- 
gleichungen aufwerfen. Dies Problem ist nun durchaus nicht einfach und noch 
sehr weit von einer einigermaßen befriedigenden Lösung entfernt. Überblickt man 
die aerodynamische Literatur, so gewinnt man den Eindruck, daß der grundsätz- 
lichen Erörterung weit größere Aufmerksamkeit zugewandt ist als der Beschaffung 
des numerischen Materials; wir möchten darum an dieser Stelle betonen, daß unseres 
Erachtens die erstere einfach, die letztere hingegen schwierig und von ausschlag- 
gebender Bedeutung ist. Erst durch gesichertes numerisches Material kann die ganze 
grundsätzliche Erörterung Sinn gewinnen. 
Aus den Modellversuchen werden wichtige Gesichtspunkte für die numerischen 
Werte der Luftkräfte gewonnen; aber sie reichen nicht aus zur restlosen Durch- 
dringung der Verhältnisse des Kräftegleichgewichtes. Wir kennen vor allem aus 
den Modellversuchen durchaus noch nicht die Werte des Schraubenzugs bei ver- 
schiedenen Drehzahlen und Geschwindigkeiten, Aus unseren Kenntnissen der 
einzelnen Werte kann erst dann ein gesichertes, allgemein verwendbares System 
werden, wenn systematische wissenschaftliche Versuche im Fluge die Verwendung der 
Einzelerfahrungen gestatten. Wie schon oben erwähnt, ist man in dieser Hinsicht 
noch nicht weit vorgeschritten; mag dies zur Entschuldigung dafür dienen, daß 
wir auf diesen Punkt wieder und wieder verweisen; wir sehen hier die empfindlichste 
Lücke im Gebäude der Flugwissenschaft. Für den Praktiker stellt sich die Frage 
so, daß er aus den von einem Flugzeug erzielten Leistungen mit Sicherheit be- 
urteilen will, wie sie im Verhältnis zum Erreichten und Erreichbaren zu bewerten 
sind, und wo er zur Verbesserung anzusetzen hat; insbesondere will er bei nicht 
befriedigender Leistung wissen, ob die aerodynamische Durchbildung des Flug- 
zeugs oder die Motorleistung oder die Schraube Schuld daran tragen. Er will beim 
Entwurf bereits über die wahrscheinlichen Leistungen Klarheit haben und bei der 
Durcharbeitung des fertigen Flugzeugs einen sicheren und richtigen Weg zur Ver- 
vollkommnung einschlagen. Dazu ist es wichtig, daß er aus den Leistungen die 
einzelnen Größen, welche für das Kräftegleichgewicht Bedeutung haben, er- 
schließen kann, und daß er durch wissenschaftliche Untersuchungen Vergleichs- 
punkte und sichere Maßstäbe für das Erreichbare geliefert bekommt. Im Kriege, 
als es nur auf den raschen Erfolg ankam, mußte hier notwendig ein sehr summari- 
sches Verfahren und somit eine gewisse Oberflächlichkeit Platz greifen; wenn es 
eine geregelte und erfolgreiche Friedensentwicklung des Flugzeugs gibt, so kann 
man wohl auf einen soliden Ausbau dieser praktisch wichtigen Grundlagen rechnen, 
und es ist zu hoffen, daß in späteren Auflagen dieser und der folgende Paragraph 
weniger Zukunftsmusik und mehr gesicherte Ergebnisse enthalten. werden, 
Bei allen Messungen am Flugzeug kommt es, wie bei den Leistungen des Flug- 
zeugs, in erster Linie auf das Flugzeuggewicht an; ein Versuchsflug, bei welchem
	        
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