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Grenzbetrachtungen,
Die Faktoren bilden nicht das Leben, sie werden gebraucht vom Lebenden.
Wir können in der Katalyse nur ein Agens erblicken, welches im Dienste
der Entelechie steht.
Nun ist allerdings in dem Nervensystem ein Etwas gegeben,
das ein ganzheitliches Arbeiten von Lebensprozessen, also auch
von solchen katalytischer Art, ermöglichen kann. Da jedoch ein
Nervensystem nicht in jedem Organismus und nicht in jedem
Entwicklungszustand des Individuums vorhanden ist, so kann das
Nervensystem auch nicht das „‚Letzte‘‘ und „„Höchste‘‘ im Reich des
Lebendigen sein. Nach verschiedenen Untersuchungen und Er-
wägungen von Biologen aus neuerer Zeit ist demnach der Ver-
mutung Raum zu geben, daß neben oder über den stofflichen und
den an das stoffliche Nervensystem gebundenen richtenden ‚„Fak-
toren‘ des Organismus, die für sich allein die Lebensmannig-
faltigkeit nicht zu bilden, zu erhalten und zu steuern vermögen,
„immaterielle Faktoren‘ richtender und lokalisierender Art am
Werke sind, die einem obersten „dynamischen Prinzip‘ untertan
sind; dieses aber — in DrıEscHs Entelechielehre bis in das Meta-
physische geführt — wird mitunter auch als der wissenschaftlichen
Behandlung zugänglich erklärt, indem man es etwa (nach GUB-
WITSCH) unter dem Bilde eines zentrierten biologischen Kraft- oder
Determinationsfeldes faßt, das, wenn an sich auch ebensowenig
„verstehbar‘“‘ wie Wirkungsquantum und elektrisches Feld, doch
unter ausgesuchten Bedingungen ähnlich bestimmte Messungen
erlauben soll wie der Begriff des elektrischen Feldes*t,
Die Forderung eines reindynamischen, nichtstofflichen, aber nichts-
destoweniger real im Raume gegebenen, d.h. wirkenden übergeordneten
„Prinzips“ soll sich nach GURWITSCH da besonders stark aufdrängen, wo
ein stofflich anscheinend, vollkommen homogenes Gebilde eine differenzierende
Formung und Normung erfährt, in einer von geometrischen Parametern
bestimmten Art; solche Fälle aber (z. B. die Blütenköpfchen der Kamille
und Pilzhüte) sollen zeigen, daß da, wo der Begriff des Biokatalysators nicht
ausreicht, nämlich in der räumlich-aggregativen Anordnung der Stoffelemente
bei der Ausbildung der Organe des Individuums, ein dynamisches Richtfeld
als übergeordnete „vielfache‘“ oder „harmonisch-multiple Potenz‘ mit
bestimmter Eigengesetzlichkeit vorhanden ist. Bestätigt sich all dieses
und dazu die Realität dessen, was in den mitogenetischen Strahlen (GUgr-
WITSCH) u. dgl. an „stofffreien Faktoren‘ an den Tag zu treten scheint,
so dürften tatsächlich schon wissenschaftlich verfolgbar rein „dynamische
Potenzen“‘ vorliegen, die auch der Katalysatorwirkung überzuordnen wären
(vgl. P. Wzıss’ „Feldgesetze‘*, CHıLDs „Gradienten“, v. UEXKÜLL: „Im-
pulse‘ als unräumliche Veranlasser räumlicher Vorgänge; s. auch S. 75).