Full text: Über katalytische Verursachung im biologischen Geschehen

Der Katalysebegriff gewährt neue Fragestellungen. 53 
Wenn wir genötigt waren, jede Übersteigerung des Katalyse- 
begriffes für die Biologie von vornherein abzulehnen, so wird damit 
doch an der universellen Bedeutung der Katalyse für das Reich 
des Lebenden nicht gerüttelt, zumal die Frage berechtigt erscheint, 
ob es im Organismus — abgesehen von einfachsten Ionenreaktionen 
wie Neutralisation und Salzbildung — überhaupt nichtkatalytische 
Reaktionen gibt, d. h. chemische Gesamtvorgänge, die als Be- 
standteile nur solche Elementarakte enthalten, die in keiner 
Weise von Ionen irgendwelcher Art, vom Medium, von Mikro- 
kontakten und vom Gewebeeinfluß abhängig wären. Auf alle 
Fälle wird. bestehen bleiben, daß, soweit chemische Stoffe für die 
Art, Richtung und Geschwindigkeit physiologischer, morpho- 
logischer und epigenetischer Prozesse verantwortlich haften, es 
sich wohl durchweg um Katalyse oder stoffliche Induktion handeln 
wird, und daß also, wenn eine der wichtigsten Fragen der Morpho- 
logie und Entwicklungslehre ist: Was vermag Chemismus zur 
Erzielung von Gestalten? — die Unsumme von Biokatalysatoren 
des Organismus eines der wichtigsten Mittel zur Erreichung be- 
liebiger chemischer Ziele bildet. „Oft wird der Katalysator geradezu 
zum Zauberstab‘‘ (SCHADE). 
Drei Mannigfaltigkeitswunder erscheinen zusammen als die 
chemische Grundlage für die Möglichkeit organischer Gebilde: die 
Unendlichkeit der Kohlenstoffverbindungen (vgl. STocg, Triumph 
des Kohlenstoffs. Naturwiss. 1925, 1000; ferner HENDERSON, 
KOTTJE u. a.), der Reichtum des kolloiden Zustandes mit seinen 
Grenzflächenkräften und deren „Elektrokinetik“, und die Viel- 
gestaltigkeit der Katalyse. 
Hiermit beantwortet sich wohl auch ohne weiteres die Frage, 
was damit gewonnen ist, wenn man in Zukunft den Begriff „Kata- 
lysator‘“ in Physiologie und Biologie allgemeiner anzuwenden ver- 
sucht auf jede stoffliche H ervorrufung und Lenkung von Stoffwechsel- 
und Entwicklungsvorgängen des Organismus, und zwar auch dann, 
wenn diese verwickelte histologische und morphologische Aufbau- 
und Erhaltungsarbeit leisten. Tatsächlich handelt es sich nicht um 
eine bloße Nomenklaturfrage, sondern um eine Sache von methodi- 
scher Wichtigkeit, indem mit dem Namen „Katalyse“ auch unser 
ganzes reiches Wissen über die Katalyse und über den „Mechanis- 
mus‘ dieser Katalyse mit eingebracht wird, so daß neue Anschau- 
ungsweisen und neue Fragestellungen für weitere Forschung mög-
	        
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