58 Katalysatoren als richtunggebende Ursachen.
chemisches, zumal organisch-chemisches und biochemisch-kolloidchemisches
System von vornherein viele Laufmöglichkeiten vorhanden, indem das,
was wirklich aus dem System wird, nicht nur von Temperatur, Konzen-
tration, Druck, Strahlung und Elektrizität, sondern vor allem auch von der
Gegenwart bestimmter, scheinbar unbeteiligter, in Wirklichkeit aber sehr
„aufdringlicher‘‘ Stoffe, eben der Katalysatoren, abhängt, die, ohne im
mindesten energetische Arbeit zu leisten (s. S. 15), kausal bestimmend und
richtend in den Ablauf des chemischen Geschehens eingreifen®1,
Alles in allem besteht demnach absolut kein Hinderungsgrund,
den eine Reaktion hervorrufenden oder einen Gesamtvorgang
lenkenden Katalysator nicht nur als Antrieb und Anlaß, sondern
direkt als Ursache des Vorganges, also auch eines biologischen
Vorganges, zu bezeichnen. Mit der Gültigkeit der Energieumsatz-
Formeln, die in vollkommenster Form mathematisch ein Gleich-
bleiben aussprechen, hat das nicht das mindeste zu tun. Der
Katalysator greift — gleichwie der Wille — nicht in die Energie-
gesetze (Erhaltungsgesetze) ein, seine Wirkung vollzieht sich viel-
mehr im Rahmen dieser. So wie es für die Gültigkeit der Gesetze
der Mechanik in Bezug auf die Fallbewegung eines Steines, der
von einem Berge herab ins Tal gelangt, schließlich ganz gleich-
gültig ist, auf welchen Wegen er hinabkommt und ob mit Zwischen-
stationen oder ohne solche, so bleiben die „Energiegesetze‘“ immer
auch erfüllt, ob ein stoffliches System sich selbst überlassen ist
oder ob es durch die Anwesenheit eines Katalysators oder die
Herrschaft eines Katalysatorsystems eine Änderung in Geschwin-
digkeit und Richtung des Ablaufes seiner Reaktionen, sowie hin-
sichtlich Zahl und Lage von ‚„„,Haltepunkten‘ erfährt. Der Kata-
Iysator als einfachster richtunggebender Faktor ist und bleibt im
heutigen dynamischen — nicht mehr mechanistischen — Welt-
bild eine Ursache, zwar keine Energie liefernde, jedoch nichts-
destoweniger immer eine richtige Ursache, zumal da er zweifels-
ohne das übliche Kriterium einer kausalen Verknüpfung besitzt,
die Voraussagung eines Künftigen mit mehr oder minder hoher
Wahrscheinlichkeit zu erlauben (H. HERTz; W. OSTWALDS „„pro-
phezeiende‘‘ Naturforschung).
In dieser Beziehung ist von der theoretischen Physik allerdings ein
wichtiger Fall einer grundsätzlichen Unmöglichkeit bestimmter Vorher-
sagungen festgestellt worden, und zwar in HEISENBERGS „ÜUngenauigkeits-
relation‘‘, die in Kürze besagt, daß der Genauigkeit der Voraussagen im
atomaren Geschehen, d. h. bezüglich Ort oder Geschwindigkeit von „Elek-
tronenwellen‘‘ bestimmte unüberschreitbare Grenzen gesetzt sind, und die