Full text: Über katalytische Verursachung im biologischen Geschehen

62 Beziehungen zum Ziel- und Zweckbegriff. 
wertet‘ werden (Nützlichkeiten, Vorteile, Tauglichkeit). So be- 
trachtet ist wohl jede Kausalität Zielkausalität, gerichtete Kausali- 
tät oder Teleokausalität, während von Zwecken im engeren und 
eigentlichen Sinne nur in der organischen Welt die Rede sein kann, 
die unmittelbar zur Anwendung des Zweckbegriffes herausfordert. 
Wenn allein in der Retina des „kunstvoll aufgebauten‘‘ menschlichen 
Auges ein Zusammenwirken von 120 Millionen Stäbchen, über 1 Million 
Zapfen und etwa 400000 Ganglienzellen zu konstatieren ist; wenn der kom- 
plizierte Blutkreislauf durch ein bestimmtes Zusammenwirken stofflicher 
und energetischer Ursachen erzeugt und aufrechterhalten wird; wenn bei 
der Zellteilung das Zentralkörperchen an seine geheimnisvoll revolutionie- 
rende Tätigkeit geht, in die dann Chromosomen und Plasmasubstanz mit 
hineingerissen werden; wenn gewisse Tiergattungen unwahrscheinlichste 
Generationswechsel und Metamorphosen durchmachen ; wenn eine bestimmte 
Grabwespe eine Erdhöhle gräbt, an der Decke des Gewölbes Eier ablegt, dann 
z. B. eine Heuschrecke fängt, sie durch Stiche in der Bauchgegend vorüber- 
gehend lähmt, dann aber zur größeren Sicherung noch in einer Weise, die der 
geschickteste Arzt nicht nachmachen kann, durch komplizierte Gehirn- 
massage eine länger dauernde Betäubung erzielt, dann die Beute in der 
Höhle niederlegt und stirbt, worauf bald die ausschlüpfenden jungen 
Larven, deren Magen nur „frisches Fleisch‘* verträgt, das schwach zappelnde 
Beutetier allmählich aufzehren, bei unerwartet heftigeren Bewegungen 
aber an einem selbstgesponnenen Faden rasch nach der Decke empor- 
klettern und sich so in Sicherheit bringen —, so erscheinen alle diese Vor- 
gänge und Handlungen, als ob sie von einem (überindividuellen) Intellekt 
und Willen zweckmäßig und planvoll geleitet würden, und dieser Eindruck 
rührt davon her, daß auch hier dem Augenschein nach ein wohlüberlegtes 
Auswählen zwischen verschiedenen Möglichkeiten und ein planvolles Zu- 
sammenfügen verschiedener Kausalreihen zu einem harmonisch geordneten 
und „wertvollen‘‘ Ganzen angenommen werden könnte. 
Überschaut man das Gesamtgebiet der Biologie — auch in 
ihrer sog. „mechanistischen‘‘ Erscheinungsform —, so zeigt sich, 
daß sie gewissermaßen vom Zweckgedanken durchtränkt, d.h. 
daß in ihr eine teleokausale, in der Kausalitätsbetrachtung zugleich 
bewertende, ja sinngebende Denkweise herrschend ist’. Jedes Leben 
„strebt“ nach Erhaltung, Erhöhung und Vermannigfaltigung, die 
nur darum nicht in das Ungemessene fortschreitet, weil die „Er- 
findung des Todes‘ als „Kunstgriff der Natur, viel Leben zu 
haben“. (GoETEHE), d. h. Raum für neues Leben zu schaffen, die 
zielstrebige Vermannigfaltigung immer wieder jäh abbricht. Schon 
in der anorganischen Natur herrschen Erhaltungsgesetze wie „KEr- 
haltung der Energie‘ — und Erhaltung ist ein Ziel —; in der 
lebendigen Natur aber erscheint die Erhaltung vor allem als
	        
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