64 Beziehungen zum Ziel- und Zweckbegriff.
Kugel, an der wir verschiedene Gasgemische vorüberstreichen
lassen, und zwar unter solchen Bedingungen der Temperatur und
des Druckes, daß eine Verbindung der Gase, wenn auch nur bis
zu einem gewissen Grenzzustande, thermodynamisch möglich ist.
Wir leiten zuerst ein Stickstoff-Wasserstoff-Gemisch über, das Am-
moniak bilden könnte; es geschieht nichts, solange wir auch den
Versuch fortsetzen. Wir wechseln dann das Gas, indem wir ein
Kohlenoxyd-Wasserstoff-Gemisch zuführen. Sehr bald setzt eine
Methanolbildung ein, die auch anhält, wenn wir das Gemisch
mit Stickstoff verdünnen; der Stickstoff bleibt nach wie vor
unbeteiligt. Wären wir dazu in der Lage, das molekulare Ge-
schehen am Katalysator in einem Medium von Wasserstoff, Stick-
stoff und Kohlenoxyd mit unseren Augen zu verfolgen, so würden
wir gegenüber dem Stickstoff völliges ‚Verschmähen‘‘, den
anderen Gasen gegenüber aber ‚Bevorzugung‘“ in lebhaften
Assimilations- und Abstoßungsvorgängen (Adsorption und De-
sorption) wahrnehmen, die zwar unmöglich an die verwickelte
Handlungskette der Grabwespe, jedoch etwa an die einfacheren
Stoffwechselerscheinungen von Amöben und Infusorien mit ihrer
auswählenden Nahrungsaufnahme erinnern. Was soll das nun
sagen? Einer naiven Betrachtung, die nichts von Chemie weiß,
könnte es erscheinen, als ob der Katalysator — dem ja überhaupt
noch heute ein wenig der Geruch der Zauberei anhaftet — ein
primitiv denkendes und wollendes Wesen wäre (eine „Entelechie‘““
niederer Art), das mit der Fähigkeit des wahlhaften Willensent-
schlusses zum Ergreifen dieses oder jenes „Nahrungsstoffes‘“ und
zum Abstoßen der verbrauchten „Stoffwechselprodukte‘“ begabt
ist; der Vorgang selbst aber als ein Prozeß, der zwischen stoff-
lichem „Eingeschaltetwerden und Sichwiederausschalten‘“ be-
stimmter Art hin und her „vibriert‘, erscheint als einfachstes
Modell gerichteter, ja zweckhaft gelenkt erscheinender Lebensvorgänge.
Dabei wird aber kein Chemiker daran zweifeln, daß z. B. der
Nickelkatalysator im System Kohlenoxyd und Wasserstoff „gar
nicht anders kann‘, als den angestoßenen Reaktionsverlauf bis
zum „thermodynamischen Ende‘: Methan und Wasser treiben,
während andere Katalysatoren ihrem Wesen gemäß einen anderen
Reaktionsmechanismus einleitend, schon an bestimmten Zwischen-
stellen abbrechen „müssen“ und so zu anderen Produkten führen,
der Zinkoxyd-Chromoxyd-Katalysator zu Methylalkohol oder