Full text: Erlebtes und Erstrebtes

  
    
    
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
    
   
  
  
  
  
   
   
ſtalten im Saale, der mir als Schlafftätte diente. Es waren Geiſeln, die 
jede Nacht dort zubrachten, um für die ruhige Haltung der Bürgerſchaft ein- 
zuſtehen. Vorgreifend möchte i< no< bemerken, daß unter jenen Geiſeln 
ſi< au< der Bürgermeiſter von Namur befand, der es mit der Zeit fertig- 
brachte, das Vertrauen des Gouverneurs zu gewinnen, bis fich eines Tages 
herausftellte, daß jener Herr Spionage im großen betrieb. Dom Kriegs- 
gericht zum Tode verurteilt, gelang es klerikalen Einflliſſen — der Mann 
wor als beigifher Senator Führer der katholiſhen Partei — über Rom- 
Berlin eine Umwandlung der Todesſtrafe in Freiheitsſtrafe zu erwirken. 
Am 18. September mittags — ih hatte einen Umweg einſchlagen 
müſſen, da der kürzeſte Weg dur< Franktireurs unſicher erſhien — meldete 
ih mi< in Brüſſel beim Generalgouverneur Generaloberſt Freiherr 
v. d. Gols. Da wir zuſammen in der kriegsgeſchichtlihen Abteilung des 
Großen Generalſtabes tätig geweſen waren, und ih außerdem an ſeinem 
SOjährigen Militärdienſtjubiläum als Vertreter der „militäriſ<hen Wiſſen- 
Ihaft" teilgenommen hatte, ſo beſtanden bereits perſönliche Beziehungen. 
Was die Lage in Brüſſel anging, ſo las mir der General gus ſeinem 
Tagebuch folgendes vor: „Daß die Brüſſeler bei der Shwäche der Garniſon 
(es ſtanden, glaube ih, dort nur 4 Bataillone zur Verfügung) mid und 
das ganze Generalgouvernement nicht ſhon längſt unſhädlih gemacht haben, 
rührt wohl von dem Schreden her, den Löwen ihnen eingejagt hat.’ 
Als ich meinem - Erſtaunen Ausdru> gab, daß die Stadt auf Grund 
irgendeiner örtlihen Veranſtaltung reih geflaggt ſei — auch in den Far- 
ben unferer Feinde —, meinte ». d. Golß, „dieſes harmloſe Vergnügen ſolle 
man den Leutchen gönnen.“ Eine derartig harmloſe Auffaſſung teilte ih 
jedoch nicht. Ebenſowenig konnte i< mi< der Meinung v. d. Gols an- 
Tchließen, daß es niht angezeigt ſei, den Erzbiſhof von Mecheln, den be- 
rüchtigten Kardinal Mercier, und den widerſpenſtigen Bürgermeiſter Marx 
von Brüſſel in Deutſchland zu internieren. v. d. Golß war der Anſicht, 
ſolches läge auh nicht in den Abſichten der Reichsregierung. Wie \{<ädli< 
ſolhe durhaus unangebrahte Milde den deutſhen Belangen ſein ſollte, 
ſtellte ſi< ſpäter heraus, und wenigſtens der Bürgermeiſter wurde dann nach 
Deutſchland verbraht. Von Herrn Mercier wird noh die Rede ſein. Einen 
weiteren Beweis von der Vertrauensſeligkeit des Generalgouverneurs erhielt 
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