haben aber von dem Reichskanzler gehört, daß in Berlin erſt Mitte No-
vember dieſe Anſicht aufkam, alſo au< hier waren wir hellhöriger als
andere. Und als endlich begriffen wurde, daß es aus militärpolitiſchen
Gründen doh höchſte Zeit ſei, die Forderungen des Deutſchen Wehrvereins
zu erfüllen, vergingen wiederum aht volle Wochen, bis das Volk von
dieſen Forderungen Kenntnis erhielt. Nun iſ \<on wieder ein Viertel-
jahr ins Land gegangen und die Angelegenheit ift nicht gerade ſehr weit vor-
geſchritten. Sie werden mir zugeben, daß alles Gerede, alles Geſchreibſel,
möge es in noch ſo hohen Tönen vorgetragen werden, daß es an dieſer ein-
fachen Tatſache nichts ändern kann, daß nämlih der Deutſche Wehrverein
früher aufgeſtanden iſ als andere Leute. (Beifall.) Damit haben wir ein
gutes Werk getan, und auf dieſes gute Werk ſind wir ſtolz, weil wir über-
zeugt ſind, daß es zum Beſten des deutſchen Volkes iſt. Um noch eines an-
zuführen, denken Sie einmal an die Forderungen des Deutfchen Wehrvereing
vom vorigen Frühjahr. Wenn ſie no< im vorigen Jahr erfüllt und durd-
geführt worden wären, glauben Sie nicht, daß die politiſhe Lage eine
andere geworden wäre? Ich glaube ſogar, daß der Balkankrieg vielleicht
gar niht entſtanden wäre. Wenn Sie der Sache nachgehen, werden Sie
mir zugeben, daß wir jedenfalls bei der ganzen ſeitherigen diplomatiſchen
Aktion viel mehr durchgefegt hätten und die deutſhe Regierung ihren
Wünſchen viel mehr Nachdru> verſchafft hätte, wenn die Regierung ſhon
im vorigen Jahre die Wehrvorlage eingebracht, wie e8 der Deutſche Wehr-
verein verlangte. Dann hätten das Deutſhe Reih und der Dreibund
anders dageſtanden und ein viel größeres Gewicht in die Wagſchale ge-
worfen. Da haben Sie auh den untrennbaren Zuſammenhang zwiſchen
Militärpolitik und Politik überhaupt.
Als der Kampf gegen den Wehrverein beſonders heftig tobte, habe ih
in den Zeitungen leſen müſſen, wie ſelbſt Neichstagsabgeordnete Sachen Ios-
ließen, die ih nur als ein Gemiſch von einer glänzenden militärifchen Un-
wiffenheit und einer nicht gewöhnlichen Bögwilligkeit bezeichnen Fann. (Deitere
Zuſtimmung.) Dem Mann, der mich damals einen Landesverräter genannt
hat, ift in Greifswald von einem Kollegen, einem Univerſitätsprofeſſor, ge-
ſagt worden: Wenn Keim ein Landesverräter iſt, dann ſind do<h wohl auch
Seine Majeſtät, der Reichskanzler und der Bundesrat Landesverräter, denn
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