Full text: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung

82 Rohstoff ‚Eiweiß‘ und ‚‚Fett“. 
die Zugkraft gewinnen. Und doch werden wir im Verlaufe der nächsten Jahre 
in der Lage sein, „überraschende Lösungsmöglichkeiten‘ zur Schließung der 
Eiweißlücke aufzudecken, die auch in späteren Abschnitten hier ihren Nieder- 
schlag finden werden. Wir fassen unter Wiederholung der oben festgestellten 
Erkenntnisse zusammen: 
4, Die wirtschattliche Site Wenn vom Eiweißproblem in der deutschen 
Ernährungswirtschaft gesprochen wird, so 
meint man ‚Eiweiß‘ schlechthin als Sammel- 
begriff für verschiedene Stoffe. 
Trotz ihrer chemischen Verwandtschaft aber sind — wie wir schon ange- 
deutet haben — diese Stoffe untereinander sehr verschieden, sei es hinsichtlich 
ihres Ernährungswertes, ihrer biologischen Wertigkeit, ihres volkswirtschaft- 
lichen oder tatsächlichen Geldwertes. 
Futtereiweiß z. B. dient der menschlichen Ernährung, wenn auch indirekt, 
über den Tiermagen und mit 50 bis zu 90% Verlust! Hülsenfruchteiweiß 
oder Getreideeiweiß (Kleie!) ist nicht gleich Milch-, Eier-, Fleisch-, Blut- 
eiweiß; und Kartoffeleiweiß als biologisch vollwertiges Eiweiß ist höher zu be- 
werten als Maiseiweiß; Milcheiweiß hat einen 4—5mal höheren ernährungs- 
physiologischen Wert als Erbsen- und Bohneneiweiß! Kurz gesagt, Eiweiß ist 
nicht gleich Eiweiß, weder chemisch noch biologisch. Manchen Eiweißarten fehlen 
einzelne chemische Bausteine, die für den menschlichen Organismus lebensnot- 
wendig sein können (Tryptophan, Lysin, Cystin), ohne die er entweder gar kein 
arteigenes Eiweiß aufbauen kann oder nur soviel, als von allen lebensnotwen- 
digen Bestandteilen im ‚Verhältnis zu den übrigen vorhanden ist. Jedes Eiweiß 
aber, das nicht zu arteigenem Körpereiweiß aufgebaut wird, geht ungenutzt 
verloren. 
Diese Erkenntnis sollte man unbedingt bei Einsetzung des pflanzlichen 
Eiweiß in die Erzeugungszahlen streng in Rechnung stellen. Getreideeiweiß 
z. B. ist nicht nur in seiner Zusammenstellung unvollständig und damit auch 
biologisch unterwertig, scndern wird nur mit 60%, im Körper ausgenutzt; 
das Eiweiß der Hülsenfrüchte z. T. (nach Rubner) sogar nur mit 25—30%. 
Nur wenn tierisches Eiweiß, welches die lebensnotwendigen Bausteine im Über- 
schuß enthält, vorhanden ist, wird unterwertiges Pflanzeneiweiß bis zur Voll- 
ständigkeit ergänzt. Aufdiese Weise kommen wir beim tierischen, insbesondere 
beim Milcheiweiß zu dem Begriff Schutznahrung, dem wir am Schluß dieses 
Kapitels noch eine kurze Betrachtung widmen. 
Zur wirtschaftlichen Betrachtung des Eiweißproblems gehört ebenfalls die 
Notwendigkeit dersteten Unterscheidung, ob Eiweiß unmittelbar in der mensch- 
lichen Ernährung verwertet wird oder indirekt über den Tiermagen. Ein 
3-Zentner-Schwein z. B. liefert nach dem Schlachten 40 kg reines Fleisch. Die 
40 kg reines Fleisch sind eine Quelle für 8 kg Eiweiß in der menschlichen 
Ernährung. Dieses Schwein aber hat im Laufe seines Lebens nicht weniger 
als etwa 50—80 kg Futtereiweiß verzehrt. Es entsteht also auf dem Weg 
von der unmittelbaren zur mittelbaren menschlichen Ernährung ein Verlust 
bis 90%. 
Die wirtschaftliche Seite des Eiweißproblems greift aber noch auf einem 
anderen Wege unmittelbar in die deutsche Volksernährung ein. Das ist das 
Problem der Verbrauchshöhe und der Verbrauchsart. Nehmen wir einmal an, 
daß nach dem heutigen Stand der Wissenschaft das Optimum der täglichen 
Eiweißmenge, welche dem Körper zugeführt wird, bei 90 g je Kopf liegt. Das 
bedeutet dann gleichzeitig, wenn man die starken Unterschiede in der Kauf- 
des Eiweißproblems. 
  
  
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