296 Pflanzliche Rohstoffprobleme.
rung aufzuzehren drohte, glückte bekanntlich das gärungstechnische Experiment,
die Alkoholgärung des Zuckers durch Hefe im ‚‚Protolverfahren‘ so zu leiten, daß
eine Glyzerinbildung zustande kam, deren praktisch verwertbare Ausbeute alle
noch verfügbaren Fettvorräte für die Volksernährung erhalten ließ. Während des
Krieges hat man ferner mit gutem Erfolg zur Behebung des Futtereiweißmangels die
Züchtung der sog. Mineralhefe nach dem Delbrückschen Verfahren auf Mineral-
salzlösungen mit Melassezusatz durchgeführt, bis auch die Melassevorräte und
andere zuckerhaltige Abfallprodukte so stark einschrumpften, daß die Betriebe
dieser fabrikmäßigen Erzeugung der Futterhefe bald stillgelegt werden mußten.
Jedenfalls lassen neuerdings diese im Kriege anerkannten Erfolge der deutschen
Gärungs- und Hefeindustrie, deren biotechnische Arbeitsmethodik inzwischen
wesentlich verbessert worden ist, wieder den Gedanken an eine Eiweißfutter-
beschaffung durch Massenzüchtung von Hefe als nicht ganz aussichtslos erscheinen,
weshalb hier auf diese Möglichkeit zur praktischen Lösung des deutschen Fett-
problems hingewiesen sei!
Schon immer ist ein gewisser Teil der in ländlichen Brauereien anfallenden Bier-
hefe in nassem oder abgepreßtem Zustand für Futterzwecke in den angeschlossenen
Landwirtschaftsbetrieben verwertet worden, bis Delbrück kurz vor dem Kriege auf
die wertvollen Eigenschaften der Bierhefe, die heute in deutschen Brauereien zu
mehr als 3%, Millionen kg anfällt, als Nähr- und Futtermittel hinwies und zur Ver-
meidung von Verlusten die Fabrikation einer versand- und lagerfähigen Trocken-
hefe anregte, deren hoher Nährwert auch bald von Autoren wie Schottelius und
v. Noorden offen anerkannt wurde. Im Laufe der Jahre ist die Fabrikation von
Trockenhefe aus ausgewählter, gereinigter und entbitterter Brauereihefe technisch
so verbessert worden, daß die Trockenhefe heute ein Nährmittel von seltenen
biologischen Werteigenschaften darstellt. Vorschriftsmäßig hergestellte Trocken-
hefe enthält durchschnittlich 8% Wasser, 56%, Eiweiß, Lezithin, 3%, Fett (hieran
0,56% Ergosterin gebunden), 26% stickstoffreie Extraktstoffe und 7% wert-
volle Mineralsalze. Der große ernährungsbiologische Wert der Trockenhefe be-
ruht nun nicht allein auf dem großen Reichtum dieser Hefe an leichtverdaulichem
Eiweiß, Fett und Kohlehydrat, sondern nicht zuletzt auch auf dem hohen Gehalt
des Hefeeiweißes an lebenswichtigen Aminosäuren, denen eine besondere stoff-
wechselfördernde Wirkung zugunsten der Verdauung und Ausnutzung der Nah-
rungsstoffe zukommt. Die Bierhefe ist ferner ein wertvoller natürlicher Vitamin-
träger und Lezithinspender, was sich in einem günstigen Einfluß der Hefenahrung
auf Wachstum und Leistung der Körperzellen offenbart. Neben dem gesamten
Vitamin-B-Komplex enthält die Bierhefe in beträchtlicher Menge auch das Pro-
vitamin Ergosterin, welches durch Ultraviolettbestrahlung das antirachitisch
wirksame Vitamin D, liefert, so daß insbesondere die ultraviolettbestrahlte Bier-
hefe auch noch antirachitische Eigenschaften aufweist.
Auf Grund dieser Tatsachen sollte die Bierhefe, die heute nur zu etwa 30%
verwertet wird, viel mehr als bisher zur Verfütterung an Milchkühe verwendet
werden; dies um so mehr, als diese Hefe ebensoviel verdauliches Eiweiß enthält wie
die eiweißreichsten Ölkuchen. Die Bierhefe ist für das Milchvieh aber nicht nur ein
vulgäres Eiweißfutter, sondern eben dank ihres Gehaltes an biologisch höchst wert-
vollen Ergänzungsstoffen erwiesenermaßen ein hinsichtlich Milchmenge wie Milch-
fettgehalt leistungssteigerndes Futter, dem überdies gewisse gesundheitsfördernde
Wirkungen auf das Milchvieh zukommen. Bei leistungsfähigen Milchkühen ge-
nügen nach neuesten Versuchen (Schülein) Tagesrationen von etwa 400 g Trocken-
hefe, um einen außerordentlichen Nutzeffekt zu erzielen, weil bei solchen Hefegaben
eine bessere Ausnutzung des übrigen Futters zustande kommt. Qualitativ ähnliche
Wirkungen übt auf das Milchvieh auch die gewöhnliche Futterhefe aus, wenn die-
selbe unter günstigen Kulturbedingungen, insbesondere bei geeigneter Stickstoff-
nahrung, gezüchtet wird. Aus diesem Grunde dürfte die industrielle Massenzüch-
tung der Futterhefe aus billigem inländischem Rohmaterial, wie es bald im Holz-
zucker vorliegen wird, einen aussichtsreichen Weg für die zukünftige Eiweißfutter-
beschaffung auf gärungstechnischer Grundlage bieten. Der nach dem Scholler-
Tornesch-Verfahren heute hergestellte Holzzucker wird im Verlauf der Hydro-
lyse der Zellulose durch verdünnte Mineralsäuren bei erhöhten Temperaturen und
Drucken in einer etwa 5%igen Lösung gewonnen und kann nach Abstumpfung
der Säure und Zugabe der notwendigen Hefenährstoffe, die zweckmäßig mit einem
Zusatz von assimilierbaren Aminosäuren ergänzt werden, unmittelbar auf Alkohol
vergoren und auf Futterhefe verarbeitet werden. Es ist nur eine Frage der Zeit,
daß dieses Verfahren in gärungsbiologischer Richtung unter Benutzung aller tech-